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Mit der Parole „Gebt uns Dänemark zurück“ und diesem Bild warb die Volkspartei in Anzeigen für ein Kopftuchverbot.

Foto: dpa
Kopenhagen/Stockholm – Darf eine Richterin in einem dänischen Gericht ein Kopftuch tragen? Nein, meint die rechtsliberal-konservative Regierung unter Anders Fogh Rasmussen. Sie kündigte in dieser Woche ein Verbot religiös motivierter Bekleidung für Richter an. Vorausgegangen waren eine massive muslimfeindliche Hetzkampagne der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DVP), die seit Jahren als Mehrheitsbeschaffer der Regierung fungiert – und ein handfester Krach in der Koalition.

Zwar ist die Frage der Richterbekleidung bisher rein theoretischer Natur: Es gibt keine bekennende Kopftuchträgerin an einem dänischen Gericht. Nicht zuletzt mit Blick auf die jungen, Kopftuch tragenden Musliminnen, die derzeit an dänischen Hochschulen Jus studieren, hatte die Zentrale Gerichtsverwaltung aber kürzlich neue Richtlinien herausgegeben. „Wir halten es für ziemlich wahrscheinlich, dass wir in Kürze Bewerbungen von jungen Frauen mit Kopftuch bekommen“, so Niels Grubbe, Richter am Obersten Gericht. Nach den neuen Richtlinien ist es Richtern nach dänischem Recht nicht zu verbieten, religiös motivierte Kleidung zu tragen, solange diese das Gesicht frei lässt.

Landesweite Kampagne

Damit lösten die Richter ein politisches Gefecht aus: Die für konstante Ausfälle gegen Muslime bekannte Volkspartei startete landesweit eine große Kampagne. Bilder in Inseraten zeigten eine vollständig verhüllte Richterin in Burka, „Gebt uns Dänemark zurück“ lautete der dazugehörige Text der DVP-Anzeigen.

Daraufhin und nachdem DVP-Fraktionsvorsitzender Kristian Thulesen Dahl seine Partei in der Hitze der Debatte ausdrücklich als „antimuslimisch“ bezeichnet hatte, forderten Politiker im Regierungslager den Abbruch der Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten. Die konservative Justizministerin Lene Espersen bezeichnete die Volkspartei als „unsympathische Partei“.

Als dann gar die rechtsliberale Integrationsministerin Birthe Rönn Hornbech in einem Artikel in der Tageszeitung Politiken ausdrücklich für die freie Wahl der Richterkleidung plädierte, war für Regierungschef Fogh Rasmussen die Schmerzgrenze erreicht. Er rüffelte die Ministerin öffentlich für ihren „Alleingang“ und sprach mit der Ankündigung, bald ein Verbotsgesetz auf den Weg zu bringen, ein Machtwort.

Unter Dänemarks Juristen zeigt man sich von den Regierungsplänen befremdet. Richter Niels Grubbe: „Wird man parteiisch, wenn man zeigt, dass man gläubig ist? Ich denke nicht.“ Nicht das Ja oder Nein zum Kopftuch sei entscheidend, so Grubbe, sondern der Respekt für dänisches Recht.

Der Chef des dänischen Richterverbandes, Jörgen Lougart, erklärte, er sei schon deshalb „außerordentlich verwundert“ über die Ankündigung, weil es keinen einzigen Richter oder eine Richterin in Dänemark mit Kopftuch oder Turban gebe. Gerichtspräsident Torben Goldin meinte im Fernsehen, die Regierungspläne seien „komplett sinnlos“, hätten aber „ganz offenbar gewaltigen Unterhaltungswert“.

Nach einer Kampagne der rechtspopulistischen Volkspartei hat die dänische Regierung ein Verbot religiös motivierter Kleidung für Richter angekündigt. Juristen und Politiker sind empört. (Anne Rentzsch/DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.5.2008)