Es ist aller Voraussicht nach die letzte große Tour, die George W. Bush als amerikanischer Präsident durch den Nahen Osten unternimmt, jene Region, die seine Amtszeit am meisten geprägt hat. Und bei aller durch diesen Anlass bedingten Schönwetter-Rhetorik, die ja immer nur an einen sehr kleinen Teil seiner Zuhörer gerichtet ist, war es Bushs luzidester Moment seit langem, als er in Israel den Zeithorizont für einen für alle freien, friedlichen und demokratischen Nahen Osten mit sechzig Jahren umriss.

Noch einmal fast drei Generationen. Wenngleich ernüchternd, vielleicht – hoffentlich – sogar zu pessimistisch, so klingt das realistischer als das, was sich die Visionäre des Irakkriegs vor_gestellt und dem US-Präsidenten eingeredet hatten: Wie die Dominosteine sollten sie fallen, die undemokratischen Regime, in einer vom Sturz Saddam Husseins ausgelösten Dynamik. Saddam ist weg, und außer den unappetitlichen und des „neuen“ Irak völlig unwürdigen Umständen seines Todes ist das noch immer ein unumschränkter Wert für sich. Sonst bleibt nicht viel.

Der Nahe Osten wurde Bush durch 9/11 aufgezwungen (wobei selbstverständlich auch dieses Datum nicht im luftleeren Raum steht). Die Bereitschaft, sich wie sein Vorgänger Bill Clinton blaue Flecken bei Vermittlungsversuchen im israelisch-palästinensischen Konflikt zuzuziehen, war bei ihm nicht vorhanden. Auch die Attentate vom 11. September, die Israel und die USA zusammenschweißten, hoben den Nahostfriedensprozess noch nicht auf die US-Agenda. Erst ein Jahr vor seinem Abgang startete der US-Präsident einen Versuch, den Annapolis-Prozess, der, nach jetzigem Stand, sich immer bescheidenere Ziele setzt.

Annapolis hat jedoch für Bush zumindest den nützlichen Effekt, ein bisschen von der hervorstechendsten Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten während seiner zwei Amtszeiten abzulenken: Damit ist nicht die Destabilisierung des Irak gemeint (der sich im Moment irgendwie zusammenrauft), sondern deren Konsequenz, die politische Aufwertung des Iran.

Dagegen versuchen die USA, Isolation und Sanktionen als Gegenmittel aufzufahren. Das hat aber in Zeiten, in denen sich Ländern, die etwas zu bieten haben – Öl –, die Alternative China & Co. bietet, an Schrecken verloren (ein gutes Beispiel dafür ist auch der Sudan). Im Fall Iran ist es umso wichtiger für die USA, einer in seinem System eher machtlosen Figur wie dem iranischen Präsidenten nicht nur teuflische Absichten zuzuschreiben (wobei er kräftig mitwirkt), sondern auch die Teufelskräfte, diese auszuführen. Man sollte aber nicht vergessen, dass der Iran bereits unter Präsident Khatami auf Bushs „Achse des Bösen“ gesetzt wurde.

Die für Bush gewiss bittere Wahrheit ist, dass ein Arrangement mit dem Iran in der Region bereits im Gange ist. Das sieht man an den jüngsten Entwicklungen im Libanon, wo eine politische Aufwertung der Hisbollah auf der Agenda steht, man kann es drehen und wenden, wie man will. Ebenso, vielleicht noch mehr, im Irak, wo sich der Iran nicht nur auf eine bestimmte Gruppe, die ihn vertritt, stützen muss, sondern mittlerweile tief verankert ist.

Umso demütiger kommt Bush heute ins islamistische Saudi-Arabien, das Land der 9/11-Attentäter. Eines der Irakkrieg-Ziele, nämlich die strategische Abhängigkeit von diesem schwierigen Partner zu lindern, ist nicht nur fehlgeschlagen: Durch den Aufstieg des Iran ist sie noch größer geworden. Und die Aufforderungen zu mehr Demokratie wurden auch schon längst von Bitten nach Steigerung der Ölförderung abgelöst. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.5.2008)