Belgrad - Die serbisch-orthodoxen Bischöfe haben den
seit Monaten schwer erkrankten Patriarchen Pavle I. gegen seinen
Willen entmachtet. Der Heilige Synod übernehme ab sofort alle
Aufgaben des 93-Jährigen, berichtete das Patriarchat in Belgrad am
Samstag auf seiner Internetseite. Zuvor hatte das Kirchenoberhaupt,
das seit November in einem Belgrader Militärkrankenhaus liegt, jeden
Rückzug verweigert. Er sei auf Lebenszeit gewählt, hatte der
Patriarch gegenüber den Abgesandten der Metropoliten und Bischöfe
betont.
Der im September 1914 in Slawonien geborene Gojko Stojcevic
wurde im Dezember 1990 zum 44. serbischen Patriarchen gewählt. Zuvor
war er 33 Jahre lang Bischof von Prizren und Raska im Kosovo gewesen.
Einer seiner Brüder, Stanko, war im ehemaligen Jugoslawien ein
kommunistischer Spitzenfunktionär.
Nachfolge
Ende des Vorjahres wurde der montenegrinische Metropolit
Amfilohije (Radovic), das älteste Mitglied des Heiligen Synods, zum
Patriarchatsverweser gewählt. Er tritt als Sprecher des dogmatischen
Flügels auf und gilt als einer der aussichtsreichsten Anwärter auf
die Nachfolge von Pavle. Dieser war 1990 in einer ganz ähnlichen
Situation an die Kirchenspitze gelangt. Damals hatten die Bischöfe
einen Nachfolger für den amtsunfähigen Patriarchen German gewählt.
Zuvor hatten dessen Ärzte bescheinigt, er werde seine Aufgaben als
Kirchenoberhaupt nie mehr wahrnehmen können. Eine solche von den
Bischöfen verlangte Erklärung der Ärzte Pavles hatten diese nach
unbestätigten Informationen verweigert.
Auf der Jahrestagung der serbisch-orthodoxen Kirchenversammlung in
Belgrad soll es noch am Freitag turbulent zugegangen sein. Die beiden
Lager der Dogmatiker und der Moderaten stehen sich dabei
unversöhnlich gegenüber. Der Metropolit von Zagreb und Ljubljana,
Jovan, ist der Wunschkandidat der Gemäßigten. Gemäß der Wahlordnung
wird der neue Patriarch unter drei Kandidaten bestimmt, die in einer
Vorwahl bestimmt werden. Drei Kuverts mit den Namen der Kandidaten
werden in eine Urne gegeben, aus welcher ein Name gezogen wird. (APA)