Die Angestellten des Verlags Toena beim Fest in der einst als Mausoleum für Diktator Enver Hoxha geplanten "Pyramide".

Foto: Barbara Maier
Albanien empfängt uns mit ungewohnten Anblicken und seltsamen Gesten. Maultiere, mit Reisigbündeln bepackt, trotten über unsichtbare Wege in den Berghängen. Die Bunker aus Hoxhas Zeiten überziehen wie Warzen die schöne, rotbraune Landschaft. Hinter der nächsten Kurve öffnet sich ein weites Tal. Und gleich kommt die erste Raststätte. Neben Fruchtsäften und Mineralwasser in Dosen und Plastikflaschen rinnt das Wasser ungebändigt aus mehreren Brunnen. Wir füllen unsere Flaschen und werden noch bis Dalmatien vom albanischen Wasser erfrischt.

Frische Forellen

Tratschlustige albanische Nato-Soldaten decken sich an der Raststätte mit frischen Forellen ein. Zuerst wird aus dem Betonbecken die schönste ausgesucht und gewogen, dann mit einem Stockschlag schnell getötet und im Wasserstrahl ausgenommen. Die mageren herrenlosen Hunde schnappen mit eingezogenem Schwanz nach dem im Abfluss kollernden Eingeweide.

Hinter Elbasan steigt das ziegenbevölkerte Krrabë-Gebirge im Nu hoch. Links und rechts von uns Abgründe, dass die Knie schlottern. Das haben wir Klugscheißer wohl verdient. Wir wollten nicht, wie angeraten, über die Küste/Durrës fahren, sondern haben die Abkürzung genommen. Schließlich erwartet uns heute noch das Verlagsfest von Toena in Tirana.

Mausoleum für Enver Hoxha

Das Fest findet im buntbemalten Kulturhaus statt, der als Mausoleum für Enver Hoxha geplanten und nun völlig kahlen und ungeheizten "Pyramide". In den letzten 15 Jahren hat Toena die wichtigsten albanischen Autoren und Wissenschafter sowie viele Lehrbücher verlegt. 27 Gratulanten versammeln sich in der Festbroschüre, unter ihnen eine Poetin. Auch aus Österreich bringen wir mithilfe unserer Dolmetscherin Jomida Kosfina Grüße, auf der Bühne überreicht von Lojze an Fatmir Toçi und seine Frau Irena. Danach im Foyer großes Buffet. Die Stimmung ist ausgelassen, fröhlich.

Jomida erklärt uns Albanien-Neulingen so manche Eigenheiten und deren soziale Genese. Die Journalistin Koseta Zavalani gibt auf unsere obligate Frage nach dem Lieblingsessen der Kindheit die kürzeste und wohl auch berührendste Antwort: "Alles." Was sie damit sagt, wird uns erst nach und nach bewusst. Ein bisschen schon beim großen Abendessen, auf das Fatmir uns, seine Freunde und Verwandten einlädt. Mitten im rustikalen Restaurant Hami i Gjelit steht die drei mal drei Meter große Feuerstelle - wie in Friaul. Der Schädel des aufgespießten Lamms reckt sich gegen die Decke, darunter brutzeln Köfte und Steaks.

Selbst nachschenken!

Die Meze sind köstlich und in osmanischer Tradition zubereitet, so wird uns versichert. Die Damen am Tisch sind bei den Vorspeisen eher zurückhaltend, beim Fleisch schlagen sie zu. Der Kellner lässt sich selten blicken. Das Nachschenken besorgen die Gäste.

Bedienen sei nicht die Sache des Albaners, mutmaßt der EU-Beobachter im Kosovo, Bruno Wahrbichler, auf den wir Tage später in Makarska treffen. Der Kanun, das alte Gewohnheitsrecht der Albaner, hat die fürsorgende Seite den Frauen zugedacht. Hat nicht schon Tito 1967, auf den Vorschlag Bruno Kreiskys, Jugoslawien dem Tourismus zu öffnen, gemeint, die stolzen jugoslawischen Männer würden sich als Bedienstete schlecht machen? Nicht anders dürften sich die albanischen Männer heute fühlen. So können die heutigen Köche in Albanien auf das Wissen ihrer Mütter zurückgreifen. Denn die Ausbildung zum Koch wird in Albanien noch nicht angeboten.(Barbara Maier/Lojze Wieser/Der Standard/Printausgabe/20/05/2008)