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Staatsanwalt Kutschera (li.) stützte sich bei der Verhandlung unter Vorsitz von Richterin Kristen ...

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... auf die DNA-Spur des sichtlich gut gelaunten Angeklagten.

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Der wegen versuchten Mordes angeklagte Verdächtige im Fall Hirtzberger muss sich am Landesgericht Krems verantworten. Für die Verteidigung fehlt das Motiv, der Sohn des Angeklagten belastet den Vater aber schwer.

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33 Jahre lang waren Renate Hirtzberger und ihr Mann verheiratet. Am 9. Februar 2008 haben sie "das letzte Mal gemeinsam gelacht" als sie über eine vermeintliche "geheime Verehrerin" scherzten, die Hannes Hirtzberger eine Praline mit Billet auf dem Pkw deponiert habe. Die Frau des Spitzer Bürgermeisters schilderte am Montag mit zittriger Stimme im Kremser Landesgericht als Zeugin von jenem schwarzen Tag, der ihr Leben völlig verändert hat.

Denn kurz nach dem Gespräch aß ihr Mann die Praline, die mit 700 Milligramm Strychnin gefüllt gewesen sein soll. Wenig später erlitt der Ortschef einen Herz-Kreislauf-Stillstand und wurde nach der Reanimation in Tiefschlaf versetzt. Hannes Hirtzberger ist nun "in einer Art Wachkoma", erzählt seine Frau. Er reagiere kaum auf Reize, müsse künstlich ernährt werden und könne sich nicht bewegen.

Wegen versuchten Mordes sitzt Helmut O., nur wenige Meter neben Renate Hirtzberger, auf der Anklagebank. Jener Mann, von dessen Schuld die Anklage und die Ermittler überzeugt sind. Das stärkste Indiz: Seine DNA wurde auf der Grußkarte sicher gestellt. Hirtzbergers Frau schildert, wie sie nach ihrer ersten Einvernahme durch die Polizei am 9. Februar noch einmal auf den Stufen kehrtgemacht habe, weil ihr plötzlich jemand eingefallen sei, dem sie die Tat zutraue.

Es war O., den die Ermittler drei Wochen später der Öffentlichkeit als Verdächtigen präsentierten. Nicht nur die DNA-Spur machte ihn, für den die Unschuldsvermutung gilt, zum Hauptverdächtigen. Hirtzbergers Frau erzählt von "immer wieder" aufgetauchten Problemen, die ihr Mann mit O. gehabt habe. Dabei sei es um die Umwidmung eines Teils des Anwesens gegangen, das dem Angeklagten, der eigenen Angaben zufolge 1,3 Millionen Euro Schulden hat, gehört.

Staatsanwalt Friedrich Kutschera nennt weitere Indizien, die O. belasten. So habe der 56-Jährige bei einem ersten Ersuchen nach einer Speichelprobe diese abgelehnt. Dann habe er sie mit der Spucke von Verwandten verfälschen wollen. Bei Kutscheras Ausführungen über eine "schwarze Liste", die O. gehabt habe, über Leute, die er noch umbringen werde, "bevor er ins Gras beißt", schüttelt der Angeklagte den Kopf.

"Auf Hirtzberger böse"

Doch am Nachmittag belastet auch der Sohn den Vater schwer. Der Student sagt unter Wahrheitspflicht, sein Vater sei "schon lange auf Hirtzberger böse" und mit diesem "verfeindet", weil ihn der Ortsvorsteher bei der Umwidmung seines Grundstückes behindert habe. Und weiter: "Er hat gesagt, dass er irgendwann plant, ihn umzubringen." O. sei in sein Wiener Studentenheim gekommen und habe ihn aufgefordert ein Marmeladeglas vollzuspucken, berichtete der 23-Jährige am Montagnachmittag. Der Sinn der Aktion sei es gewesen, eine DNA-Probe zu verfälschen, habe ihm der Vater erklärt.

Der Angeklagte beteuert in seiner Einvernahme, dass es diese Liste "sicher nicht" gegeben habe. Auch nicht in seinem Kopf, gibt der immer wieder lächelnde Angeklagte zu Protokoll. Außerdem sei das Verhältnis zwischen ihm und Hirtzberger freundschaftlich gewesen. O.s Anwalt, Nikolaus Rast, führt zudem aus, dass O.s Pläne nicht an der Gemeinde, sondern am Denkmalschutzamt gescheitert seien. Dieses habe so wenig mit dem Bürgermeister zu tun wie ein Mittelscheitel mit seiner Frisur - einem kahlrasierten Kopf.

Zum angeblichen Verfälschungsversuch der Speichelprobe will O. selbst am Montag keine genauen Angaben machen - aus Rücksicht auf seine Kinder, wie er sagt. Der in drei Monaten U-Haft deutlich erschlankte Hauptverdächtige war in der Früh lächelnd unter Blitzlichtgewitter vor den Geschworenen erschienen und hatte auf "nicht schuldig" plädiert. Seine Verteidiger verweisen auf ein fehlendes Motiv und die Möglichkeit, dass die sichergestellte DNA-Spur "zufällig" auf die Grußkarte gelangt sein könnte. Außerdem sei einseitig ermittelt worden, bemängelt Rast. Am Dienstag wird fortgesetzt, dem Angeklagten droht lebenslange Haft. (Gudrun Springer, DER STANDARD; Printausgabe, 20.5.2008)