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Wien - Rund 25 Prozent der österreichischen Herzinfarkt-Patienten sind medikamentös unterversorgt. Das ergab eine zu Jahresbeginn im European Journal of Epidemiology publizierte Studie, die am Dienstag in einer Pressekonferenz in Wien präsentiert wurde. Fazit: Nicht nur die Eigenverantwortlichkeit der Patienten ist gefragt, sondern unter anderem auch ein verbesserter Informationsfluss zwischen intra- und extramuralen Bereichen.

Rezpteinlösung nach der Spitalsentlassung

Die Querschnittsuntersuchung im Jahr 2004 wurde im Auftrag des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger durchgeführt. Folgende Substanzklassen würden nach einem Herzinfarkt empfohlen: Acetylsalizylsäure (bekannt als Aspirin), Beta-Rezeptorenblocker, ACE (Angiotensin-Konversionsenzym)-Hemmer und Lipidhemmer der sogenannten Statin-Klasse, erklärte Studienhauptautor Wolfgang Winkelmayer von der Harvard Universität in Boston.

In der Studie wurde untersucht, ob Betroffene innerhalb von 120 Tagen nach der Spitals-Entlassung zumindest ein Rezept eingelöst haben. Dazu herangezogen wurden anonymisierte Spitals-Verrechnungsdaten.

Nur 41 Prozent optimal versorgt

Laut dem Ergebnis erhielten neun Prozent der Betroffenen nach der Entlassung aus dem Spital keines der Medikamente (Wertung ohne Aspirin, Anm.), 16 Prozent nur eine Arznei: "Wir klassifizieren diese Patienten als eindeutig unterversorgt", so Winkelmayer. 41 Prozent seien mit drei Medikamenten "optimal versorgt", 34 Prozent erhielten zwei Arzneien.

Verbesserungspotenzial in der Sekundärprävention

"Die Ergebnisse zeigen deutliches Verbesserungspotenzial in der Sekundärprävention nach Herzinfarkt auf." Unklar sei aber, wo der Fehler liege: Ob die Medikamente schon im Spital nicht verwendet würden, eine Nichtverschreibung bei der Entlassung oder beim niedergelassen Arzt geschehe oder ob Patienten Rezepte nicht einlösen, sagte der Studienautor.

Nicht nur Patientencomplience

Bisher sei bei ähnlichen Diskussionen meist der Patient als Hauptverantwortlicher für eine unzureichende Medikamenteneinnahme ausgemacht worden, meinte die stellvertretende Generaldirektorin des Hauptverbandes, Beate Hartinger. Nun hätten sich Experten von Ärztekammer, Apothekerkammer, der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit sowie des Herzverbandes und des Hauptverbandes mit der Problematik systematisch auseinandergesetzt.

Informationsverklust bei Therapieempfehlungen

Gerhard Stark vom Landeskrankenhaus Deutschlandsberg erklärte, dass es bereits an der Schnittstelle zwischen intra- und extramuralen Bereich zum Informationsverlust bei den Therapieempfehlungen kommen kann. Im Durchschnitt würden Ärzte den Befundbericht ihrer Patienten erst acht bis zehn Tage nach deren Entlassung aus dem Spital erhalten; dabei primär vom Krankenhaus und nur zu 46 Prozent vom Betroffenen selbst.

In einem Folgeprojekt sollen nun die Schnittstellen des Informationsflusses genauer untersucht werden; weiters wurden ein Info-Blatt und ein Folder für Herzinfarkt-Patienten erstellt, um auch an die Eigenverantwortlichkeit zu appellieren.

Bessere Dokumentation

"Wir brauchen eine ordentliche Buchhaltung für Patienten", meinte Stark. Die Dokumentation eingenommener Medikamente müsse besser werden: "Dazu müssen wir nutzen, was wir haben" , so der Arzt. Dies beinhalte auch die elektronische Komponente. Therapieempfehlungen müssten den niedergelassenen Ärzten elektronisch verfügbar gemacht werden, weiters benötige es bestimmte automatisierte Rückkopplungsmechanismen, waren sich die Vertreter einig. (APA)