Wien - In der Causa "Plastiksackerlkredit" sprach die Richterin Claudia Bandion-Ortner kurz vor 18.00 Uhr die Urteile: Helmut Elsner wird zu zweieinhalb Jahren Haft, Ex-Konsum-Chef Hermann Gerharter zu zwei, davon 18 bedingt, Peter Nakowitz zu 15 Monaten verurteilt.

Mit steinernen Mienen erwarteten die drei Angeklagten am Mittwoch um 17.37 die Urteilsverkündung. Eine Stecknadel hätte man fallen hören, als Richterin Claudia Bandion-Ortner den Spruch des Schöffensenats bekannt gab. Helmut Elsner wegen Untreue: zweieinhalb Jahre unbedingte Haft, die Vorhaft berücksichtigt; Hermann Gerharter zwei Jahre teilbedingte Haft, das heißt, 18 Monate werden auf drei Jahre bedingt nachgesehen; Peter Nakowitz: 15 Monate, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren. Die beiden Letztgenannten waren der Beitragstäterschaft zur schweren Untreue angeklagt.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig, Elsner und Gerharter gehen in die Berufung. Der Staatsanwalt hat erklärt, bei Nakowitz und Elsner auf ein Rechtsmittel verzichten zu wollen, bei Gerharter gab er keine Erklärung ab. Mit diesem Urteil gab der Schöffensenat der Anklage im Wesentlichen Recht, wobei die Richterin in ihrer Begründung durchaus zugab, in manchen Punkten das ursprüngliche Motiv nicht "wirklich klar" zu sehen.

Bandion-Ortner: "Helmut Elsner wollte Gerharter, mit Geld, das ihm nicht gehörte, helfen." Zunächst habe man Gerharter einen Überziehungsrahmen gewährt, dann - im März 2003 - einen Forderungsverzicht erklärt - und zwar, obwohl Elsner vom vorhandenen Vermögen Gerharters wusste.

Die Richterin: "Gerharter bekam 707.621,12 Euro geschenkt, obwohl er fast eine Million Euro Vermögen hatte. Mit diesem 'Geschenk' hat Elsner seine Befugnisse missbraucht, eine Aktienbank hat nicht einfach etwas zu verschenken." Gerharter und Nakowitz wussten das auch.

Nachdem die Richterin die Argumente, die Elsner, der bis zuletzt seine Unschuld beteuert hatte, Punkt für Punkt entkräftet hatte, ging sie noch auf die "Glaubwürdigkeit" Gerharters ein. Diese sei im Verfahren widerlegt worden. "Warum hätte Gerharter sich selbst belasten und so etwas erfinden sollen", fragte die Richterin rhetorisch. Bei Nakowitz gehen die Richter davon aus, dass er spätestens seit März 2003 wusste, dass Gerharter das Geld geschenkt wird.

Bei der Bemessung der Strafe sprach für Elsner sein bisheriger "ordentlicher Lebenswandel", gegen ihn "die vielfache Überschreitung der Wertgrenzen" (der Schaden beträgt über 700.000 Euro).

Für Gerharter spreche sein "Geständnis und die Schadensgutmachung", gegen ihn die "Überschreitung der Wertgrenzen" und "seine massiven einschlägigen Vorstrafen; Gerharter hat wieder - wie nach der Causa Konsum - versucht, "seine Schäfchen ins Trockene zu bringen", erklärte die Richterin.

Für Nakowitz spreche sein "Lebenswandel und sein untergeordneter Tatbeitrag". Gegen ihn die "Überschreitung der Wertgrenze". Aufgrund seiner "geringeren Schuld" bekäme er die Gesamtstrafe bedingt.

Auch bei Gerharter müsse man "nicht die gesamte Strafe vollziehen; gänzlich nachsehen kann man sie aber auch nicht mehr, weil die früheren Urteile eigentlich eine Warnung sein hätten sollen", begründete Bandion-Ortner, die einst auch die Causa Konsum verhandelt hatte das Strafausmaß.

Wenig Lichtblicke gab es für Elsner, der die Urteilsverkündung kopfschüttelnd verfolgt hatte. Bei ihm sei "wegen der erheblichen kriminellen Energie nicht an eine bedingte Strafe zu denken, vor allem auch aus Gründen der Generalprävention - man kann mit fremden Geld so nicht umgehen", argumentierte die Richterin.

Um 18.15 Uhr wurde die Verhandlung geschlossen. Die wenigen Zuschauer, die noch geblieben waren, verließen das Gericht, sehr schnell verschwunden waren auch die Angeklagten. Am kommenden Montag geht der "große" Bawag-Prozess weiter.

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Die Verhandlung hatte am frühen Vormittag gleich mit einem kleinen Knalleffekt begonnen: Rudolf Breuer, Rechtsanwalt von Peter Nakowitz - der damals in der Causa Hilfsdienste erledigt haben soll - hat den Antrag gestellt, die Hauptverhandlung in der Causa Gerharter zu wiederholen und neu durchzuführen. Er berief sich dabei auf die Strafprozessordnung und darauf, dass seit der letzten Verhandlung in der Causa mehr als zwei Monate vergangen seien.

Helmut Elsners Anwalt, Wolfgang Schubert, hat sich dem Antrag angeschlossen, nicht aber Gerharter-Anwalt Manfred Ainedter. Breuer wollte, dass weitere Zeugen (noch einmal) gehört werden. Zudem hätten sich die Schöffen nicht zeitgemäß auf die Urteilsberatung vorbereiten können. Breuer: "Die Rechtslage ist eindeutig, ich muss meinen Antrag nicht einmal begründen, ich bin seit 42 Jahren Rechtsanwalt, ich weiß was richtig ist." Rudolf Breuer bezog sich auf Paragraph 276 a der Strafprozessordnung der besagt: Die Verhandlung ist zu wiederholen, wenn seit der letzten Verhandlung mehr als zwei Monate verstrichen sind, es sei denn, dass beide Teile auf die Wiederholung wegen Überschreitung der Frist von zwei Monaten verzichten." Die letzte Verhandlung mit Gerharter fand Ende Jänner 2008 statt.

Nach einer kurzen Stellungnahme von Nakowitz, der erklärte, dass dieser Antrag nicht aus Jux und Tollerei gestellt werde, zog sich der Schöffensenat zur Beratung zurück. Nach einer Stunde wurde der Antrag in der Sache abgelehnt. Die Begründung: Es sei nur das Verfahren gegen Gerharter ausgeschieden gewesen, dieser habe aber auf die Wiederholung verzichtet, man könne also weiterverhandeln.

Daraufhin verließen die meisten der Angeklagten die Verhandlung, nur Günter Weninger, Hubert Kreuch und Wolfgang Flöttl blieben da. Flöttl weil er hoffte, sein erstes Plädoyer zu hören. Dazu kam es aber am Vormittag nicht. Zunächst wurde Weninger von der Richterin gefragt, ob er "von der Unterstützung der Bawag an Gerharter etwas gewusst" habe. Gerharter verneinte. Er meinte, er glaube "nicht, dass der ÖGB dafür gewesen wäre."

Kein Licht in der Causa

Was folgten, waren weitere Befragungen, um Licht in die Causa zu bringen, was freilich nur bedingt gelang. Es stand Aussage gegen Aussage. Verkürzt dargestellt, sagte Gerharter aus, dass er, um für die Gerichtskosten vom Konsumverfahren (552.255 Euro) vorzusorgen, einen Überziehungsrahmen bei der Bawag organisiert habe. Am 12. März 2003 habe ihm Helmut Elsner – der ja bald darauf in Pension gehen sollte – das Geld in bar mitgegeben, "Er hat gesagt, du musst mit deinem Geld weg von hier". Nakowitz habe jene Plastikmappe herbeigebracht, die den Kredit als "Plastiksackerlkredit" bekannt gemacht hat.

Parallel dazu hatte Gerharter ungefähr eine Million Euro an Guthaben bei der Bank, was er damit erklärt, dass er ja vom Konsum seine Ansprüche abgegolten bekommen habe; damals waren das 17 Millionen Schilling. Gerharter: "Dieses Geld habe ich mit Hilfe Helmut Elsners bekommen."

Widersprüchliche Aussagen

Genau da spießen sich die Aussagen der Angeklagten noch immer. Helmut Elsner weiß weder vom Guthaben, das Gerharter hatte, noch dass Gerharter an jenem 12. März bei ihm gewesen sein soll und Peter Nakowitz will Gerharter nur einmal in der Bank getroffen und ihn zu einem Abteilungsleiter geführt haben.

Auf die Frage, warum Elsner bereits im März seine Zustimmung zu einer Abschreibung des Kredites in der Bilanz gegeben habe (Elsner war bei der Bilanzerstellung 2003 bereits in Pension), sagte Elsner: "Das war nur eine Empfehlung, ich habe damit signalisiert, dass ich gegen eine Abschreibung nichts hatte." Gerharter brachte die einander widersprechenden Aussagen letztlich auf den Punkt: "Ich stehe dem hilflos gegenüber. Helmut Elsner hat mir sehr geholfen, warum, das weiß ich nicht." Das alles sei ein "Lügengebäude". Das Ende vom Lied ist bekannt: Gerharter hat die Gerichtskosten, um die es ursprünglich gegangen ist, überhaupt erst im Jahr 2006 bezahlen müssen (das Gericht hatte darauf vergessen) und den Kredit an die Bawag zurückgezahlt, samt 50 Prozent Zinsen, "die restlichen 50 Prozent zahle ich in Raten zurück." Detail am Rande: Er versucht einen Teil der Gerichtskosten bei seinem seinerzeitigen Konsum-Vorstandskollegen in einem Zivilverfahren zurückzubekommen, ist dabei aber in erster Instanz abgeblitzt. Derzeit läuft die Berufung.


Heute begaben sich auch wieder einige Fotografen in das Wiener Landesgericht.

Vor der Mittagspause setzte es neue Beweisanträge: Nakowitz-Anwalt Breuer stellte einige Anträge, und Wolfgang Schubert tat es ihm gleich – und beantragte die Vernehmung von weiteren 23 Zeugen. Bevor sich das Gericht zur Beratung zurückzog, sprach sich Staatsanwalt Georg Krakow gegen die Anträge aus: "Es ist egal, wer das Geld von der Kassa im Erdgeschoß ins Büro im 4. Stock brachte. Klar ist, dass es nicht von alleine dorthin gekommen ist. Für die Staatsanwaltschaft ist nur wichtig, dass dieses Geld außer Haus gebracht wurde und nicht mehr zurückgekommen ist. Und: Sie können auch alle 3.000 und 4.000 Mitarbeiter der Bawag als Zeugen laden, es wird sich nicht feststellen lassen, wer das Geld zu Gerharter gebracht hat."

Fortsetzung mit Verlesungen aus dem Akt

Nach der Pause lehnte das Gericht alle Beweisanträge ab, auch den, den Rechtsanwalt Breuer nachgereicht hatte, nämlich jenen auf einen Graphologen. Seufzer der Richterin: "Jessas Maria".

Was folgte, waren Verlesungen aus dem Akt, bei denen der Forderungsverzicht oft thematisiert wurde, um den Gerharter gebeten hat. Und dem Elsner mit dem Vermerk "Ja" zugestimmt hatte. Zu diesem Zweck wurde auf Aussagen des Ex-Treasurers Christian Hackl verwiesen, der einen solchen Vermerk mit folgenden Worten kommentiert hatte: "Früher gab es das 'Ja Flöttl', das war fast noch heiliger als das 'Ja Elsner'." Ein anderer Zeuge aus der Bank hatte dazu gemeint: "Wenn der Generaldirektor zugestimmt hat, dann galt das."

Die Plädoyers

Nach den Verlesungen folgten die vom spärlicher gewordenem Publikum schon heftig erwarteten Plädoyers. Staatsanwalt Krakow nannte die Causa ein "Leerstück der Untreue", die Bank gehöre nicht dem Vorstand und nicht dem Generaldirektor. Für ihn sei der Sachverhalt "klar. Ein Kunde zahlt nicht, die Bank stoppt die Mahnungen. Kurz vor der Pensionierung des Generaldirektors folgt der das Geld aus, nachdem der Kunde einen Antrag auf Verzicht gestellt hat." Helmut Elsner habe gehandelt, Peter Nakowitz in voller Kenntnis assistiert und Gerharter habe sich über das "Geschenk" gefreut. Den Schöffen riet Krakow, sich vor Augen zu führen, wie man Elsner vor Gericht erlebe, nämlich "aggressiv und dominant. Stellen Sie sich vor, wie Elsner war, am Höhepunkt seiner Macht." Das Motiv Elsners sieht Krakow in "Machtausübung, vielleicht wollte er einem Ex-Generaldirektor-Kollegen helfen." Gerharters Motiv sieht der Staatsanwalt in einer Ersparnis oder einem Vermögenszuwachs, Nakowitz' Motiv in "(falscher) Loyalität gegenüber Helmut Elsner". Insgesamt, so Krakow, zähle das "große Bild, das war ein ausgeklügelter Plan ab Juni 2002".

Elsner-Anwalt Wolfgang Schubert betonte in seinem Plädoyer, dass Elsner keinen Forderungsverzicht gegenüber Gerharter abgegeben habe, der Generaldirektor sei ein "Stratege, der wie ein Kapitän die Richtung vorgibt, aber nicht sagt, welche Knöpfe dafür zu betätigen sind." Hätte Elsner von den Vermögensverhältnissen Gerhartes gewusst, so hätte er keinen Forderungsverzicht zugelassen. Ein Motiv für Elsner sehe er nicht, eines für Gerharter schon: Er habe danach 1,5 Millionen Euro gehabt, "Gerharter wollte seine Schulden loswerden, sonst hätte er mit eigenem Geld zahlen müssen." Warum sich Gerharter selbst belasten sollte? Schubert: "Gerharter hatte die Wahl zwischen Pest oder Krätze, weil er ohne Geständnis möglicherweise alleine wegen Betrugs bestraft worden wäre." Schubert bat um Freispruch für den 73-Jährigen oder aber für eine geringe Strafe.

"Im falschen Film"

Gerharters Anwalt Ainedter wähnte sich in seinem Plädoyer "im falschen Film. Mein Mandant bekennt sich schuldig, aber es gibt gar keine Straftrat". Er glaube aber nicht, dass die Causa so ausgehen werde. Als Grund für Gerharters Geldannahme bemühte Ainedter die Vergangenheit rund um die Konsumpleite, in derem Rahmen die Banker seinem Mandanten versprochen hätten, ihn nicht im Regen stehen zu lassen. Elsner habe Gerharter gesagt, „die Bank wird dich von dieser Last befreien. Der juristische Fehler den Gerharter gemacht habe, sei durch eine Nicht-Reaktion erfolgt: Im Juli 2003, als die Bank Gerharter brieflich mitteilte, dass der Kredit abgewickelt worden und das entsprechende Konto geschlossen worden sei. Gerharter sei eher von "Pleiten, Pech und Pannen" verfolgt gewesen als dass er "hohe kriminelle Energie" hätte. Die Milderungsgründe – das Geständnis – überwiegen für den Anwalt deutlich (der Staatsanwalt hält den relativen raschen Rückfall nach Gerharters beiden Vorstrafen für erschwerend). Ainedter führte ins Treffen, dass Gerharter wie ein "Kronzeuge" gehandelt habe "er hat hier die Hosen runtergelassen und alle seine Fehler zugegeben." Aindeter bat um eine bedingte Strafe für seinen Mandanten, der "nicht nur deutlich gealtert sondern auch gebrochen" sei.

Für den Anwalt des damaligen Bawag-Genralsekretärs Nakowitz, Breuer, wiederum ist es "völlig unverständlich, warum Nakowitz hier mitangeklagt ist". Er sehe kein Motiv, und stellte die Frage, wem gegenüber Nakowitz denn loyal gewesen wäre "wenn Elsner doch in 14 Tagen in Pension gehen würde. Soll er aus Loyalität bei einer Sauerei mitmachen? Das ist doch Wahnsinn, absoluter Unsinn." Insofern sprach Breuer dem Publikum aus dem Herzen: "Das ist eine ganz eigenartige Geschichte", meinte er, um sich Lacher aus dem Publikum abzuholen: Loyalität gegenüber einem Gestrigen – "was soll das?" Er forderte einen Freispruch für Nakowitz und versuchte sich dann noch, die Gunst der Richterin zu erreden: "Es scheint als hätte ich das Gericht heute verärgert. Aber, Frau Rat, ich stehe ihnen sehr nahe. Uns trennt allein die Strafprozessordnung."

Nach den Schlussworten der Angeklagten (Elsner: "Das ist alles wirklich ein Unfug, ich habe von A bis Z immer nur die Wahrheit gesagt und verstehe nicht, warum Nakowitz hier sitzt.") zog sich das Gericht zur Beratung zurück. (Renate Graber berichtete aus dem Wiener Landesgericht)