London/Wien - Die Funktionsweise eines "molekularen Aufräumkommandos" in Bakterienzellen haben Wissenschafter um Tim Clausen vom Wiener Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) aufgeklärt. Die Arbeiten, die in der jüngsten Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift "Nature" veröffentlicht wurden, nähren Hoffnungen für neue Medikamente gegen Bakterien.

Produktion und Kontrolle

Proteine sind an praktisch allen lebenswichtigen Prozessen in der Zelle beteiligt - die Zelle betreibt daher auch einen erheblichen Aufwand, die jeweils nötigen Proteine in der geforderten Menge zu produzieren. Aber auch nach der Herstellung bedarf es einer ständigen Kontrolle, ob die teils kompliziert gebauten und gefalteten Eiweiße immer noch korrekt funktionieren. Defekte Proteine können eine tödliche Gefahr für die Zelle und den ganzen Organismus darstellen und beim Menschen zu komplexen Krankheitsbildern wie etwa Morbus Parkinson, Kreutzfeld-Jacob (BSE) oder Alzheimer führen.

In Bakterien wird diese Qualitätskontrolle unter anderem durch den molekularen Faktor DegP abgewickelt. Wie Clausen und seine Gruppe herausfanden, ist DegP nicht nur für die Kontrolle zuständig, der Komplex kann defekte Moleküle auch reparieren und - wenn die Reparatur nicht mehr möglich ist - zerstören.

"Das DegP-Molekül kann die eigene Größe und Aktivität an seine Kunden, die Proteine, anpassen", erklärte Clausen. Es lagern sich mehrere DegP-Moleküle aneinander, bis das jeweilige Ziel-Protein vollständig eingekapselt ist. Im Inneren, gleichsam der Reaktionskammer wird dann gehandelt - getestet, repariert oder das Protein in seine Bestandteile zerlegt.

Infektionen

Die neuen Einblicke in die Arbeitsweise von DegP sollen helfen, bakterielle Infektionen besser zu bekämpfen. Werden beispielsweise durch eine heftige Immunantwort viele Proteine in der Zellhülle des Bakteriums geschädigt, so müssen diese möglichst rasch ersetzt werden. Diese erhöhte Nachfrage lässt den DegP-Betrieb des Bakteriums innerhalb kürzester Zeit auf Hochtouren laufen. "Durch einen hohen DegP-Betrieb sind krankheitserregende Bakterien in der Lage, den Immunattacken des menschlichen Körpers immer wieder zu trotzen", so der Wissenschafter. Gelingt es jedoch, die Müll-Entsorgungsanlage der Bakterien durch neue Wirkstoffe zu unterbinden, könnten Krankheitserreger vernichtet werden.

Die Forscher erhoffen sich durch die Arbeiten auch neue Erkenntnisse für bestimmte Krankheiten. Denn auch im Menschen arbeiten dem DegP verwandte Proteine. Diese werden etwa mit Alzheimer und Parkinson in Verbindung gebracht, da bei diesen Krankheiten funktionsuntüchtige Proteine nicht rechtzeitig entfernt werden, verklumpen und Nervenzellen absterben lassen. (APA)