Ob die filigranen Blickerchen wohl dran bleiben, wenn Guido Gluschitsch mit der neuen HP2 Sport von BMW seine Runden dreht? Lesen Sie selbst...

Foto: derStandard/Alschner

So viel Carbon. Sogar unter der weißen Farbe ist Carbon. Kohlenstoff in seiner – für Motorradfans – edelsten Form. Im Fall der HP2 Sport von BMW heißt Carbon, dass Kohlenfasermatten mit Harz versorgt und in einen Spezialofen zum Ausbacken gesteckt wurden.

Warum BMW das teure Material so großzügig auf der HP2 verteilt ist schnell erklärt. Es spart Gewicht und ist enorm zugfest. Trotzdem ist es nicht anzuraten, die nur 178 Kilogramm schwere BMW auf Gleisen zu parken. So zugfest ist nichts im Land. Und es warat schad drum. Zum einen gibt es in Österreich derzeit grad eine – und dass es die noch gibt, räumt vielleicht endlich mit dem Vorurteil auf, dass ich alles zerstöre (Nicht alles. Nur alles Mögliche… mfgux ;-) – und außerdem wäre es um das Körberlgeld von 25.000 Euro und einem zusätzlichen Hunderter schad.

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Dass Carbon in der von BMW bereitgestellten Art auch noch fesch ist gehört zum Gesamtkonzept. Das ist nämlich derartig detailverliebt, dass der Preis für das ganze Motorrad schon wieder eine Okkasion ist. Die Blinker sind klein, zierlich und stören nicht. Und sie können mit wenigen, einfachen Handgriffen entfernt werden, falls sie doch mal stören sollten – z. B. auf der Rennstrecke. Der Bürzel hinten, der Rücklicht, Kennzeichen, Rückstrahler und Nummerntaferl hält, ist edel designt und wartet mit vielen Dioden statt mit schnöden Birnderln auf. Aber auch der Bürzel ist mit wenigen simplen Handgriffen abmontiert. Ebenso wie die Rückspiegel. (Seit wann brauchst du beim Abmontieren von Rückspiegeln die Hände? mfgux ;-)

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Das einfache Abmontieren hat einen einfachen Grund. Die BMW HP2 Sport ist das alltagstauglichste Supersport-Motorradl, das man sich nur vorstellen kann. Stripp, stripp, stripp und sie ist rennstreckenfertig. (Ja, wenn du von strippen redest, klingt das sehr nach Rennstrecke. Mhmmm… mfgux ;-) Flatsch, flatsch, flatsch und sie ist wieder straßentauglich.

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>>> Die wundersame Verwandlung

Super Schmäh, werden S’ jetzt sagen. Drei Klettverschlüsse, ein paar Kohlefasermatten und der glu freut sich einen Haxen aus. Irrtum. Die HP2 Sport kann noch mehr. Richten wir unseren Blick auf die Bremsen. Feinste Brembo-Ware. Bremskraftverstärker, ABS, alles ist mit an Bord. Aha, werden S’ jetzt sagen, der glu will mit dem Graffel doch nur auf der Rennstrecke fahren. Nein, wir haben ja grad wieder alle Teile draufmontiert. Wir fahren auf der Straße und freuen uns über die Bremsassistenten. Wenn wir auf der Rennstrecke fahren würden, würden wir uns über die nicht freuen, sondern sie mit einem Knopfdruck alle sofort wegschalten. Auch das geht ganz einfach. Man drückt über den Bremshebel die Bremsflüssigkeit direkt in den Bremszylinder. Und das mit klarem Druckpunkt und wohl dosierbar.

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Was auf der Rennstrecke am Anfang ein bisserl ungewohnt sein könnt’, ist der Telelever. Durch das BMW-typische Fahrwerk sinkt die HP2 nämlich beim Anbremsen vorne nicht ein. Gestandene BMW-Fahrer wollen ohne Telelever aber eh nimmer. Ungewöhnlich, aber letzten Endes von Vorteil, ist der Kardanantrieb. BMW behauptet, dass der Kardanantrieb gar nicht aufklettert, sondern den Hinterreifen regelrecht in den Asphalt drückt. Und ob man es glauben will oder nicht, Grip hat die BMW ordentlich.

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Wie schaut es aus mit Leistung und Drehmoment? Den einfachen Größen, wo jeder sofort zu wissen meint, was es geschlagen hat? Gut schaut es aus. Durch ein paar arg wilde Modifizierungen im Zylinder dreht der Boxer in der HP2 Sport extrem hoch. 9.500 Umdrehungen schafft er. Unglaublich. Das bringt dann aber auch 130 PS und ein Drehmoment von 115 Newtonmetern. Das reicht, um in der Stadt gehörig aufzufallen und es reicht vor allem für schnelle Runden auf der Rennstrecke.

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Wenn die Zeiten nicht den persönlichen Vorstellungen entsprechen und man nicht weiß, wo die Sekunden liegen geblieben sind, empfiehlt es sich, einen Blick ins eingebaute Datarecording zu werfen, das über das aus der MotoGP-Serie abgeleitete Display abgerufen wird. Das steht wirklich alles drinnen. Wie lange gebremst wurde, wie viel Vollgas anstand und wie lange die Runde dauerte.

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Im Straßenbetrieb stellt man das Display um – was natürlich ebenfalls ganz einfach geht – und es zeigt wieder die Geschwindigkeit an. Durch die gemütliche Sitzposition hat man im Alltagsbetrieb oft den Eindruck, man sitze auf einem normalen Motorrad. Aber geht man ans Gas, hört den edlen Klang des Racingboxers und sieht den vielen Kohlenstoff, dann weiß man wieder, dass man auf einem Renngerät sitzt.

(Text: Guido Gluschitsch, Fotos: Michael Alschner, 22.05.2008)

Guido Gluschitsch ist Chefredakteur von Motorradnet.at.