Bild nicht mehr verfügbar.

Hickersberger glaubt, dass in der Beschleuni-gung der Analyse die Zukunft liegt. Als diesbezügliches Vorbild schwebt ihm American Football vor.

Foto: APA/Fohringer
Standard: Reden Sie mit den Spielern über Dreiecke?

Hickersberger: Nur in Dreiecken kann ich gut kombinieren. Im Spiel vollziehen sie sich automatisch, da die Sinnhaftigkeit von Dreiecksbeziehungen den Spielern sozusagen unbewusst klar ist. Insofern brauche ich nicht viel darüber reden.

Standard: Unser Blick auf das Spiel hat sich durch die eingehende Analyse oft verschoben. Säumels überragende Performance gegen Deutschland etwa ist uns erst bei der Codierung richtig klar geworden. Finden Sie Ihre unmittelbaren Eindrücke in der Analyse wieder? Oder gibt es auch für einen erfahrenen Trainer noch Überraschungen?

Hickersberger: Säumels tolle Leistung ist mir schon während des Spiels aufgefallen. Überrascht hat mich etwas anderes: Die Auswertung der Laufwege ergab, dass unsere Spieler durchschnittlich 500 Meter mehr gelaufen sind als die Deutschen, denen ja der Mythos besonderer Konditionsstärke anhaftet. Da spielen aber vielleicht meine eigenen Erfahrungen hinein. Nach meinem ersten Jahr als Profi in Deutschland habe ich meiner Frau gesagt: Ich halt das nicht mehr lange aus. Und ich habe den Eindruck, dass der Unterschied zwischen Österreich und den wirklichen Spitzenteams diesbezüglich eher größer geworden ist, obwohl wir uns stetig verbessern.

Standard: Wie stehen Sie allgemein zur Verwissenschaftlichung des Fußballs? Werden die Datensammlungen in Bezug auf Fitness und Performance überbewertet? Oder liegt in der Mathematisierung von Leistung eine notwendige Entwicklung?

Hickersberger: Grundsätzlich halte ich viel davon. Man muss die Ergebnisse nur in eine richtige Relation setzen. Allein mit tollen Werten gewinne ich kein Fußballspiel. Da entscheiden die Tore bzw. jene Spieler, die sie vorbereiten und schießen.

Standard: Im vergangenen Jahr stand die Auseinandersetzung mit der eigenen Leistung im Zentrum. Haben Sie schon begonnen, sich mit unseren Gegnern zu beschäftigen?

Hickersberger: Zurzeit ist der Fokus noch auf unser Team gerichtet, aber je näher die EURO kommt, desto mehr werden wir uns mit unseren Gegnern auseinandersetzen und dabei natürlich auch auf statistische Analysen zurückgreifen.

Standard: Der deutsche Teammanager Oliver Bierhoff hat angekündigt, noch in der Pause einzelne Spielzüge aus der ersten Halbzeit mit den Spielern auf Videoscreen analysieren zu wollen. Zu viel des Guten?

Hickersberger: Nein, das ist gar nicht zu viel, das ist der Fortschritt im Fußball schlechthin. Mir schwebt als Vorbild American Football vor, wo strategische Besprechungen während des Spiels an der Tagesordnung sind. In einer solchen Beschleunigung der Analyse liegt die Zukunft.

Standard: Von Klaus Theweleit stammt die These ...

Hickersberger: Der hat ein interessantes Buch geschrieben. Helfen Sie mir.

Standard: "Tor zur Welt". Theweleit behauptet, Fußballspiele am Computer hätten auch am Feld einen neuen Spielertyp hervorgebracht. Welches Potenzial sehen Sie generell in Methoden der Visualisierung der taktischen und spielerischen Abläufe? Gehört solches künftig zur Grundausrüstung von Spielern und Trainern?

Hickersberger: Das wird so sein, davon bin ich überzeugt.

Standard: Aus unserer Perspektive sticht - neben Ivanschitz - vor allem Harniks Entwicklung zum Schlüsselspieler im Pass-Netzwerk hervor. Nun wurden nach der vorjährigen U20-WM in Kanada einige Kandidaten ins Team reklamiert. Waren Sie von Anfang an sicher, dass er den Sprung ins A-Team schaffen würde?

Hickersberger: Das war ein Bauchgefühl. Das kann ich nicht begründen.

Standard: Haben Sie den damaligen U20-Teamtrainer Paul Gludowatz konsultiert?

Hickersberger: Natürlich haben wir uns ausgetauscht. Ich höre mir vieles an, aber ich entscheide allein. Ich muss ja den Kopf hinhalten. Und mein Kopf ist mir sehr wichtig.

Standard: Wie beurteilen Sie das Pass-Netzwerk des Spiels gegen die Niederlande?

Hickersberger: Mit der Vertikalität bin ich zufrieden. In der zweiten Hälfte hätte ich mir mehr Diagonalpässe erwartet. Immerhin hat Harnik mit einem solchen das Tor von Ivanschitz geradezu sensationell vorbereitet. Solche Spielverlagerungen müssen wir wesentlich öfter betreiben. Das wird ein Schwerpunkt im großen Trainingslager vor der EURO. (Mit Josef Hickersberger sprach Helmut Neundlinger - DER STANDARD PRINTAUSGABE 29.3. 2008)