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Günter Netzer brillierte bei der EM in Belgien.

Foto:Thomas Niedermueller/Bongarts/Getty Images
Am Ende marschierten Helmut Schöns deutsche Fussballer durch die Vierer-Endrunde in Belgien, als wären sie von Beginn weg der Favorit gewesen, als wären sie unantastbar. In Lüttich besiegten sie im Halbfinal den Gastgeber 2:1, beide Tore schoss Gerd Müller. Das knappe Ergebnis schmeichelte den Belgiern erst noch.

Im Endspiel in Brüssel war dann die Sowjetunion ohne jede Chance; 3:0 stand es beim Abpfiff für die Deutschen, wieder hatte Spezialist Müller zweimal getroffen, dazu zwischendurch Herbert, genannt «Hacki», Wimmer, der eigentlich für die defensive Kärrnerarbeit im Mittelfeld zuständig war.

Die Mannschaft, die da in Belgien auftrat, als sei sie seit Jahren zusammengewachsen, war in Wirklichkeit erst kurz zuvor «entstanden».Und zwar eher aus Zufall als aus Berechnung. Denn als am 29. April 1972 das Viertelfinal- Hinspiel im Wembley-Stadion anstand, hatte Bundestrainer Schön ein Problem: Es war nicht nur Berti Vogts verletzt, sein Rechtsverteidiger, sondern auch Wolfgang Overath, seit Jahren der Spielmacher der deutschen Nationalmannschaft.

Der Optimismus war also gering, zumal Deutschland in seiner Länderspielgeschichte in Wembley nie gewonnen und, sechs Jahre zuvor, auch den WM-Final verloren hatte. Schön stellte nun eine Kombination aus Münchner Bayern und Mönchengladbacher Borussen auf; mit den Bayern Franz Beckenbauer, Hans-Georg Schwarzenbeck und Müller, aber auch den Gladbachern Günter Netzer und Wimmer in der Achse. Und die funktionierte. «Rambazamba » nannte die deutsche Presse hinterher, was sie von ihrer Mannschaft gesehen hatte – vor allem das Zusammenwirken Beckenbauers und Netzers.

Geburt einer Mannschaft

Deutschland war spielerisch eindeutig besser als die Engländer. Uli Hoeness schoss das 1:0; und auf Francis Lees Ausgleich in der 78. Minute konnten die Deutschen mit einem Elfmeter reagieren, den Netzer verwertete, und dem Tor Müllers, wie es in jenen Tagen bei deutschen Auftritten einfach dazugehörte. Im Rückspiel im Berliner Olympiastadion genügte den Deutschen schliesslich einwesentlich schmuckloseres 0:0.

Aber in Wembley war die Mannschaft geboren worden, die nur kurze Zeit Bestand hatte, aber den ersten (von bis heute drei) EM-Titeln nach Deutschland holte und als die spielerisch vielleicht stärkste überhaupt in dessen Länderspielgeschichte einging. Zwei Jahre später, als die Deutschen zu Hause Weltmeister wurden, war wieder Overath der Regisseur. Netzer, der dafür im Verein erfolgreicher war, sass wieder auf der Bank. Aber der EM-Titel 1972 bleibt mit seinem Namen verbunden. (Hans Jörg Schifferli*; DER STANDARD Printausgabe 11. März 2008)

EM 1972 in Belgien:

Final: Deutschland–Sowjetunion 3:0 (1:0) Spiel um Platz 3: Belgien–Ungarn 2:1 (2:0) Österreich: Out in der Qualifikationsgruppe Schweiz: Out in der Qualifikationsgruppe