José Villalonga Llorente hätte ein Denkmal verdient, aber das wurde den Spaniern erst im Laufe der Jahrzehnte immer klarer. Villalongawar der Trainer jener Selección, die am Abend des 21.Juni 1964 Europameister wurde. Ein Triumph, dem viele vergebliche Anläufe beiWelt- und Kontinentalturnieren folgten. Immer wieder trat Spanien mit vielen individuellen Ausnahmekönnern an und nie wurde das Versprechen eingelöst. Spanische Nationalteams, zusammengesetzt aus Spielern, die in ihren Vereinen im Geist des Separatismus’ gross wurden, sind immer das Gegenteil einer Turniermannschaft gewesen.

Das mag 1964 nicht anders gewesen sein, aber bei einem viertägigen Wettbewerb spielte es keine massgebende Rolle. Und Villalonga wurde endgültig zum König von Europa. Von 1954 an hatte er das grosse Real Madrid der Di Stefano, Gento, Puskas und Kopa geformt. 1956 gewannen sie den ersten Europacup der Landesmeister, und Villalonga (gestorben 1973) ist mit seinen damals 36 Jahren bis zum heutigen Tag der jüngste Trainer, dem dieser Triumph gelang.

Zu den Schlüsselfiguren des EM-Erfolgs gehörten Torhüter José Angel Iribar, Luis Suárez – später selbst Nationaltrainer – war der Architekt im Mittelfeld, und auf dem rechten Flügel wirbelte Amancio Amaro Varela. «El Brujo» – der Hexer – gilt seiner atemberaubenden Dribblings wegen den Spaniern bis heute als bester Techniker. Im Gewitterregen wurde das Endspiel in der 84. Minute durch Marcelinho entschieden, dessenKopfball sichüber den legendären Lew Jaschin ins sowjetrussische Tor senkte.

Rekordkulisse

Jaschin hatte sich beim Halbfinal gegen Dänemark (3:0) noch über die spanische Gepflogenheit des spätabendlichen Anpfiffs (22.30 Uhr) mokiert: «So spät habe ich noch nie gespielt. Normalerweise schlafe ich um die Zeit.» Alle vier Partien der 64er- Endrunde wurden vom spanischen Fernsehen live übertragen. Das Spiel umPlatz dreimarkierteeinenTiefpunkt in der EM-Historie: Lediglich 3869 zahlende Neugierige verfolgten in der 90000-Zuschauer-Arena Nou Camp von Barcelona das 3:1 nach Verlängerung zwischen Ungarn und Dänemark. Widersprüchlich sind die Zuschauerzahlen beim Final in Madrid. Offiziell überliefert sind 79115 Zahlende, aber Beobachter im Estádio Bernabéuwaren sich einig, dass die 120000 Plätze der mächtigen Betonschüssel komplett belegt waren , was bis heute EM-Rekordkulisse bedeutet.

29 von 33 Verbänden hatten für die EM gemeldet. Die Bundesrepublik fehlte, weil Trainer Sepp Herberger die Veranstaltung als «reine Zeitverschwendung » empfand. Doch in Deutschland hatte auch erst 1963 eine Profiliga ihren Betrieb aufgenommen. (CHRISTOPH KIESLICH*; DER STANDARD Printausgabe 21.03.2008)

EM 1964 in Spanien Final: Spanien–Sowjetunion 2:1 (1:1) Um Platz 3: Ungarn–Dänemark 3:1 n.V. Österreich: im Achtelfinal gegen Irland (0:0, 2:3) Schweiz: Vorrunde gegen Holland (1:3, 1:1)