San Angelo/Washington - Das spektakuläre Vorgehen der US-Behörden gegen eine Polygamisten-Sekte im Bundesstaat Texas im April war nach dem Urteil eines Berufungsgerichts rechtlich nicht gedeckt. Die Behörden hätten nicht weit mehr als 400 Kinder ihren Eltern wegnehmen dürfen, entschied das Gericht in Austin. Die Behörden hätten nicht ausreichend nachgewiesen, dass die Kinder in akuter Gefahr gewesen seien und ohne ausreichende Rechtsgrundlage gehandelt. Eine Rückkehr der Kinder ordneten die Richter zunächst nicht an.

Die Räumungsaktion auf der rund 700 Hektar großen Ranch der von den Mormonen abtrünnig gewordene Sekte "Fundamentalist Church of Christ of Latter-Day Saints" (FLDS) hatte weltweit Schlagzeilen gemacht. Der zuständigen texanischen Familienbehörde zufolge waren viele Kinder zur Heirat gezwungen und sexuell missbraucht worden. Auch die Staatsanwaltschaft hatte seinerzeit von einer "Kultur des sexuellen und emotionalen Missbrauchs" in der Kolonie gesprochen. Mehr als 20 in der Kolonie lebende minderjährige Mädchen seien schwanger gewesen oder hätten bereits Kinder bekommen.

Ausgelöst hatte die Ermittlungen eine schwangere Minderjährige, die angab, auf dem Anwesen missbraucht worden sein. Am 3. April führte die Polizei eine großangelegte Razzia auf der wie eine eigene Kleinstadt organisierten Ranch durch. Ein Gericht entschied zunächst, dass der Bundesstaat Texas das Sorgerecht der Kinder übernimmt. Sie wurden bei Pflegefamilien untergebracht. Die Rechtsanwälte der Sekte beschuldigen die Behörden nun der religiösen Diskriminierung.

Der Justiz ist es bis dato nicht gelungen, die Eltern aller 463 Kinder zu ermitteln. Bei mehr als 100 Kindern ist noch unklar, wer die Mutter ist. Expertenangaben zufolge gibt es rund 10.000 FLDS-Anhänger, die meisten leben an der Grenze zwischen Utah und Arizona. Die Sekte hatte sich von der offiziellen Mormonen-Kirche getrennt, nachdem diese 1890 die Mehrehe für unzulässig erklärt hatte. (AP, dpa)