Eine schöne Anekdote schildert, wie ein deutscher Offizier Pablo Picasso eine Postkarte von "Guernica" reichte und fragte: "Haben Sie das gemacht?" Der Maler antwortete: "Nein, Sie". Was das mit dem Bildband Michel Sima. Künstler im Atelier zu tun hat? Einiges, denn Sima, 1912 als Michael Smajewski im Südosten des damaligen Polens, der heute zu Weißrussland gehört, geboren, war nicht nur ein Freund, sondern auch ein Wegbegleiter Picassos. Kennengelernt hatten sich die beiden in den 1930er-Jahren in Paris, der Sehnsuchtsstadt Simas, wohin er, ohne Geld und ohne ein Wort Französisch zu können, ausgewandert war, um Künstler, Bildhauer zu werden. Krieg und deutsche Besatzung zerstören diesen Plan, Sima wird verhaftet und Ende '42 nach Auschwitz deportiert. Nach der Befreiung ist es dann Picasso, der Sima einen Neuanfang ermöglicht und den seelisch und körperlich gebrochenen Mann wieder ins Leben zurückführt. Sima macht zwar weiterhin kleinere Skulpturen in verschiedenen Materialien, wendet sich aber verstärkt der Fotografie zu. Einen Namen macht er sich mit Atelierbildern von Picasso (etwa jenem, auf dem der Maler eine kleine Eule auf der Hand hält, das mittlerweile zum kollektiven Bildgedächtnis gehört), aber auch mit Fotografien anderer befreundeter Künstler wie Henri Matisse, Jean Cocteau, Francis Picabia, Georges Braque, Hans Arp oder (wie oben im Bild) Alberto (links) und Diego Giacometti, um nur einige wenige zu nennen. Ein qualitativ hochwertiger und schöner Bildband präsentiert nun eine Auswahl von Simas Atelier-Fotografien, die nicht nur durch ihre Tiefenschärfe, die fließenden Wechsel von Grau- und Weißtönen bestechen, sondern auch zeigen, wie perfekt es Sima schaffte, der jeweiligen Situation Intensität und Atmosphäre zu verleihen. Kunst, Künstlerleben, aber auch Ausgesetztsein, all das schwingt in diesen Fotografien mit. Und zudem, und vielleicht am wichtigsten, belässt Sima, der 1987 in Frankreich starb, Künstler und Werk auf einer Ebene, was ziemlich selten ist. Heute erst recht. (Stefan Gmünder / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25.5.2008)