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Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ) will sich bei der Reformarbeit "keinen Bruch heben", und ...

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... Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) will die Pensionsautomatik für die Hacklerregelung.

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Wien – Großer Verhandlungsspielraum sieht anders aus: Einmal mehr bekräftigte Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ) am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ die Unverrückbarkeit der Eckpfeiler der geplanten und heftig umstrittenen Gesundheitsreform zur Sanierung der Krankenkassen. Man könne sich rund um den Gesetzesentwurf „keinen Schritt zurück erlauben“, für Änderungen im Detail sei man aber „natürlich offen“, stellte Buchinger klar. Die Reform soll jedenfalls noch vor dem Sommer durch den Ministerrat.

Der in den letzten Tagen aufkeimenden Kritik, dass die nun präsentierte Reform eher ein „Reförmchen“ sei und man die eigentlich großen Brocken wie etwa eine Spitalsreform ausgespart hätte, kann der Sozialminister erwartungsgemäß wenig abgewinnen: „Wir haben die Reform bewusst in zwei Etappen portioniert. Wer zu viel auf einmal hebt, kann sich schnell einen Bruch heben.“ Die Arbeit zur zweiten Etappe der Spitalsfinanzierung beginne im Herbst, es gebe einen Zeitplan dazu, der bis 2012 abgearbeitet werde.

Chronische Ausnahmen

Zum heftig kritisierten Plan, den Hauptverband in eine Holding mit stärkeren Durchgriffsrechten auf die einzelnen Kassen umzubauen, merkte der Minister an, das grundsätzliche Ziel, österreichweit besser steuern zu können, bleibe aufrecht, Änderungen im Detail wolle er aber nicht ausschließen. Festhalten will Buchinger aber an der geplanten „Aut idem“-Regelung (der Arzt verschreibt den Wirkstoff, der Apotheker wählt das günstigste Medikament), die im Zuständigkeitsbereich von Gesundheitsministerin Kdolsky liegt.

Er verwies darauf, dass es diese Praxis auch in 17 anderen Ländern Europas gebe. In medizinisch begründeten Fällen oder bei chronisch Kranken müsse der Arzt aber auch weiterhin ein bestimmtes Medikament verschreiben können. Auch an der grundsätzlichen Idee der Patientenquittung will der Sozialminister festhalten.

Ärztestreik wackelt

Bezüglich des ab 16. Juni angedachten, dreitägigen Streiks merkte Buchinger an, es sei „formal richtig“, dass, so wie vom Hauptverbands-Chef angekündigt, Ärzte bei einem Streik ihren Kassenvertrag verlieren könnten. Er, so Buchinger, lehne dies aber inhaltlich ab. Ob Ärzte ein Streikrecht hätten, sei mehr eine „philosophische Frage“. Ein Streik sei prinzipiell „das letzte Kampfmittel“ von Arbeitnehmern, und Ärzte würden scharf protestieren, wenn man sie als Arbeitnehmer der Sozialversicherung bezeichnen würde.

Buchingers Fernsehauftritt überzeugte zumindest die Ärztevertreter. Wenn er den Sozialminister höre, habe er „doch Hoffnung, dass die Vernunft siegen würde“, zeigte Ärztekammer-Vizepräsident Günther Wawrowsky plötzlich wenig Protestbereitschaft. Sollte die Vernunft tatsächlich siegen, dann brauche es keine Praxisschließungen. Wenig harmonisch lief das Wochenende hingegen zwischen der Ärztekammer und Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (ÖVP). Man lieferte sich eine wahre „Inseraten-Schlacht“. Beide Streitparteien schalteten zum Teil ganzseitige Anzeigen, um ihre Argumente noch einmal zu untermauern. „Wir bleiben gesund!“ plakatierte die Ressortchefin, die Ärzte hingegen forderten „Gesund mit System statt krank durch Reform“.

Rund um die jüngst bekanntgewordenen Rabatte, die Pharmafirmen Hausärzten gewähren – der Standard veröffentlichte eine entsprechende „Preisliste“ – merkte Buchinger an, diese sollten nicht den Ärzten oder Apothekern zu-gute kommen, sondern den Versicherten. Man verhandle derzeit mit der Pharmig, verlaufen die Gespräche gut, brauche es kein Gesetz.

Für ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon hat Buchinger den „Titel Sozialminister endgültig verspielt. Er lässt die Menschen im Stich“. Ähnlich scharf geht auch der grüne Sozialsprecher Karl Öllinger mit dem roten Minister ins Gericht: „Buchinger hat mit einem freundlichem Gesicht darüber hinwegtäuschen wollen, dass in seinem Ressort völliger Stillstand herrscht.“ (APA, mro/ DER STANDARD, Printausgabe, 26.5.2008)