Ansichtssache: Gerichtszeichnungen von Oliver Schopf

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf
Wolfgang Flöttl sorgte im Bawag-Prozess wieder für eine Überraschung: Elsners Schwiegersohn, ein Banker, habe nach den Verlusten für ihn in London gearbeitet. Es steht Aussage gegen Aussage.

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Wien – Tag 102 des Bawag-Verfahrens verhieß nur Prozessroutine, Verlesungen aus dem Akt etwa und Befragungen der Angeklagten.

Doch wie so oft in den vergangenen zehn Monaten kam plötzlich doch wieder Bewegung in die Geschichte – Staatsanwalt Georg Krakow hatte im Akt gestöbert und durchaus interessante Dokumente zu Tage befördert. Im konkreten Fall handelte es sich um einen Mietvertrag aus dem Jahr 2000, den er in einem der zahlreichen "Nakowitz-Ordner" (sie beinhalten laut Ex-Bawag-Generalsekretär und Ex-Vorstand Peter Nakowitz ein "Sammelsurium von Unterlagen aus zehn Jahren") gefunden hat.

Schwiegersohn in London

Der Vertrag wurde 2000 (nach dem Eintritt des Totalverlusts aus den Flöttl-Geschäften) abgeschlossen – und zwar zwischen einem Londoner Immobilienbüro und dem Ehepaar Kinsky, also Tochter und Schwiegersohn von Helmut Elsner. Die Mietkosten betrugen angeblich 3500 Pfund im Monat (rund 4400 Euro; es gibt keine Hinweise, dass die Bawag das gezahlt hat). Das Ehepaar, das drei Kinder hat, lebte zwischen 2000 und 2003 in London, heute arbeitet Karl Kinsky wieder als Banker in Wien.

Auf der Suche nach Aufklärung, warum das Dokument in Nakowitz‘ Ordner "zwischen Aufstellungen der Sondergeschäfte" (Krakow) verwahrt wurde, und ob bzw. was Kinsky mit dem damaligen Bawag-Großschuldner Flöttl zu tun hatte, wurden die Angeklagten "abgesondert" vernommen. Der STANDARD betont, dass nicht der Eindruck erweckt werden soll, dass Kinsky mit den angeklagten Geschäften und Verlusten in Verbindung gestanden ist. Nakowitz wurde nur kurz befragt, er sagte, ihm seien "zwischen Investmentbanker Kinsky und den Sondergeschäften keine Zusammenhänge bekannt". Investor Wolfgang Flöttl lieferte mit seiner Darstellung Stoff zum Nachdenken und seinem Mitangeklagten Elsner Stoff zum Widersprechen.

Laut Flöttl hat Kinsky nämlich von "Februar oder März" 2000 bis Frühjahr 2003 in London gearbeitet – und zwar für ihn, Flöttl. Elsner habe ihn davor um einen Job für seinen Schwiegersohn, der nach London gehen wollte, gefragt, "er hat mich nicht gezwungen, aber mir die Beschäftigung seines Schwiegersohnes sehr nahe gelegt". Er habe Kinsky im Jahr rund 100.000 Pfund bezahlt, "die Miete musste er selbst zahlen". Kinsky "hat für uns Analysen erstellt und gearbeitet. Er hat sich immer bemüht, einen guten Job zu machen, war sehr bescheiden. Er hätte auch von Wien aus arbeiten können, aber es war sein Wunsch, eine Lebensgrundlage in London zu haben". Mit den damals abgewickelten Unibond-Geschäften und den Verlusten habe Kinsky "nichts zu tun gehabt", sagte auch Flöttl.

Welche Geschäfte Flöttl, der 2000 in Summe rund 1,4 Mrd. Euro der Bawag versenkt hatte und somit Hauptschuldner der Bank war, damals eigentlich noch laufen hatte? Flöttl: "Arbitrage-Geschäfte, festverzinsliche Anlagen und Geschäfte für meine Frau, im Volumen von acht bis zehn Millionen Dollar", man habe "nicht großartig" aber doch verdient damit.

Ganz anders hörte sich die Geschichte aus Elsners Sicht an. Nachdem der Angeklagte einmal mehr den Staatsanwalt der "selektiven Anwendung der Amtsverschwiegenheit" geziehen hatte und zunächst "gar keine Fragen mehr beantworten" wollte, hielt er Rücksprache mit Anwalt Philipp Strasser. Danach sprach Elsner dann doch wieder zum Gericht: Ja, sein Schwiegersohn habe damals in London gearbeitet, bei einer Investmentbankgruppe – aber "mit Doktor Flöttl hatte das nichts zu tun".

Er selbst habe den Job auch nicht vermittelt oder darum gebeten. In einem Punkt waren sich die Gegenspieler Flöttl und Elsner einig. Letzterer: "Mein Schwiegersohn hatte nichts mit den Unibonds zu tun, das ist ja grotesk. Er und meine Tochter haben von den Verlusten 2006 aus der Zeitung erfahren."

Gemeinsam in die Karibik

Aus dem Umfeld der Familie ist zu hören, dass Banker Kinsky und Flöttl einander seit 1994 privat kennen. Karl Kinsky, seine Frau und seine Mutter waren ja auch bei Flöttls in der Karibik auf Urlaub gewesen. Wie im Gericht bereits behandelt wurde, hat der Privatjet Flöttls (mit dem Ehepaar Elsner und Hund Monty an Bord) im Sommer 2000 am Weg auf die Bahamas in Salzburg einen Zwischenstopp eingelegt, um die Familie Kinsky aufzunehmen. Der Banker selbst – er ist 2003 wieder nach Wien zurückgekehrt – soll seinen Londoner Job angeblich so darstellen: Flöttl habe ihm nur den Kontakt in eine Finanzgesellschaft, die nicht in Flöttl-Besitz gestanden sei, vermittelt, dort habe er als Berater gearbeitet. Er sei auch nicht von Flöttl direkt bezahlt worden. Kinsky selbst will zu alledem keine Stellung nehmen.

Am Mittwoch geht das Verfahren weiter, Überraschung, mit Fragebeantwortungen des Sachverständigen. Er könnte seinen Marathon noch diese Woche beenden; und dann geht es für alle in die Zielgerade. Die Richterin ist voll der Hoffnung, die Causa Bawag im Juni mit einem Urteil zu beenden. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.5.2008)