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Anklage in München: Untreue in 58 Fällen, 53 Millionen Euro Schmiergeld. Im Bild: Reinhard S.

Foto: Reuters/Michaela Rehle
München - Im ersten Prozess um den milliardenschweren Schmiergeldskandal bei Siemens hat der Angeklagte ein Geständnis abgelegt. Es treffe zu, dass er über ein System schwarzer Kassen von Siemens rund 53 Millionen Euro für Schmiergeldzahlungen abgezweigt habe, sagte Reinhard S., ein früherer Manager der Telekommunikationssparte, zum Auftakt des Verfahrens vor dem Münchner Landgericht. Der Bereichsvorstand habe jedoch davon gewusst. Dem 57-Jährigen wird Untreue in 58 Fällen zur Last gelegt.

S. bestätigte die Vorwürfe aus der 33-seitigen Anklageschrift, wonach er Ende der 90er-Jahre ein bestehendes Schmiergeldsystem übernommen und es mit Wissen seines Chefs weiterentwickelt habe. "Natürlich war allen bekannt, dass wir Provisionen bezahlen, um Aufträge und Informationen zu erhalten", sagte er. Für Zahlungen nötige Unterschriften seien auf Klebezetteln geleistet worden, die im Fall von Ermittlungen hätten entfernt werden können.

1998, als Bestechung im Ausland strafbar wurde, hatte Siemens seine Manager per Unterschrift zur Einhaltung der Gesetze verpflichtet. S. und seine Komplizen hätten das System daraufhin mehr verschleiert. S. sagte, nach Ermittlungen sei ihm klar gewesen, dass die Zahlungen irgendwann eingestellt werden müssten. "Manche Leute haben in manchen Ländern gefährlich gelebt, wenn sie Zusagen nicht eingehalten haben", sagte er.

Nach der Gesetzesänderung zog S. ein Geflecht von Tarnfirmen im Mittleren Osten, den Kanalinseln und der Karibik auf. Es seien dann Millionenbeträge im Zusammenhang mit Telekommunikationsprojekten unter anderem in Ägypten, Saudi-Arabien, Indonesien, Vietnam und den Olympischen Spielen Athen geflossen.

Das Volumen der schwarzen Kassen war der Anklageschrift zufolge weitaus größer als die 53 Millionen Euro. Auf ein verdecktes Konto in Salzburg seien jährlich 100 bis 200 Millionen DM geflossen, auf ein weiteres in Innsbruck mindestens 20 Millionen DM (zwei DM = ca. ein Euro).

Auch der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer und Finanzchef Joe Kaeser sollen als Zeugen gehört werden. (Reuters, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.5.2008)