In solchen Zeiten wittert der rechtspopulistische Oppositionsführer Viktor Orbán Morgenluft. Der Politiker, der von 1998 bis 2002 Regierungschef war und bei zwei Wahlen – 2002 und 2006 – scheiterte, legte in den letzten Wochen einen starken, wenn auch diskreten Aktivismus an den Tag. Im Gegensatz zu früher, als Orbán durch machtvolle Demonstrationen seiner aufgepeitschten Anhänger den „Druck der Straße“ gegen gewählte Regierungen mobilisierte, sucht er diesmal das Gespräch mit den Eliten, auch denen der anderen Couleur.
In vertraulichen Zirkeln und Seminaren parliert er mit Geschäftsleuten, Medienmachern und Filmstudenten. Es ist offensichtlich: Der in seinem Erscheinungsbild wandlungsfähige Führer baut an einem neuen Image. Er will raus aus der rechts-rechten Ecke, in die er sich aus Enttäuschung über die ihm von seinem Volk verweigerte Liebe hineingeritten hat, hinein in die politische Mitte, wo für ihn derzeit offenbar am meisten zu holen ist.
Und er „strotzt vor Selbstvertrauen“, vertraute der Teilnehmer eines solchen Seminars neulich dem Internet-Portal „index“ an. Meinungsumfragen attestieren Orbáns Bund Junger Demokraten (Fidesz) derzeit die Zustimmung von knapp zwei Dritteln der Wähler. Inhaltlich mache er Avancen gegenüber der Wirtschaft, wie sie von ihm seit Jahren nicht zu hören waren: Steuerreformen, Bürokratieabbau, Wirtschaftsbelebung – Orbán skizziert eine Agenda, an der Gyurcsány wegen der Visionslosigkeit seiner Sozialistischen Partei (MSZP) und der linkspopulistischen Volksabstimmungs-Obstruktion des Fidesz gescheitert ist.
Staatliche Großinvestitionen würde er stoppen, soll er in einem dieser Zirkel gesagt haben, darunter den im Gang befindlichen Bau der vierten Budapester U-Bahn-Linie, die er bereits als Premier zu verhindern suchte.