An der einstigen Fluchtstraße des November 1956, als binnen weniger Tage 70.000 Ungarn über die Brücke von Andau flüchteten, stehen Skulpturen und Montagen, die in den Jahren zwischen 1993 und 1996 von internationalen Künstlern errichtet wurden.

Als ich kürzlich mit zwei irischen Journalisten den historischen Grenzübergang besuchte, zeigten sie sich erschüttert: Eine neu errichtete Brücke (1996), aber dahinsiechende Kunst - einige Plastiken knapp davor umzufallen oder zu verrosten. "Was ist los mit Österreich?", sagten die Gäste.

Im Gemeindeamt von Andau, 2600 Einwohner, viele Gemüsebauern und Weinmacher, vorgeschobener österreichischer Ort in der sich bereits weit erstreckenden Puszta, beruft man sich auf die Meinung der Künstler. Die hätten sich "für die Vergänglichkeit ausgesprochen. Die Werke sollen erklärtermaßen dem Verfall preisgegeben werden". Deshalb sorge die Gemeinde für das Allernotwendigste. Reparaturen, Blumen wo erforderlich.

Das sei richtig, bestätigt Annamaria Edwell, die Frau des Organisators der 90er-Symposien, Karl Edwell. Richtig sei aber auch, dass nach 1996 aus Geldmangel die Symposien nicht mehr weitergeführt werden konnten. Die beiden haben die Schulden des Kunstunternehmens beglichen.

Und richtig sei, dass weder von der Gemeinde noch von Land oder Bund irgendein über die Reparaturen hinausgehendes Engagement gezeigt werde. Genau da beginnt man wirklich zu fragen: Was ist los mit dem offiziellen Österreich? Was ist los mit dem Burgenland?

Herr Bundeskanzler, Herr Landeshauptmann, Frau Kulturministerin: Sie sollten sich der Sache annehmen und via Brainstorming Änderungen überlegen.

Das Mindeste ist, die Künstler von damals zu einem öffentlich finanzierten Symposion zusammenzurufen und in einer gemeinsamen Diskussion Meinungen zu eruieren. Jeder Künstler, jede Künstlerin bestimmt über die Zukunft seines (ihres) Werkes. Wenn Verfall, dann langsames Sterben in der Pampa. Wenn Erneuerung, dann durch die Künstler selbst.

Doch man könnte mehr tun: Zum Beispiel jüngere Künstler einladen, die auf der Basis heutiger europäischer Entwicklungen neue Skulpturen an bestimmten Plätzen dieser Gegend errichten. Zum Beispiel eine Klangskulptur, die zu bestimmten Zeiten an die Ereignisse von 1956 erinnert. Zum Beispiel ein kleiner Schauraum mit den dramatischsten Fotos von damals.

Im Grunde ist es ein Skandal, dass zum Jahrestag im November 2006 nichts dergleichen passiert ist. Dieses Nicht-Reagieren, diese Ignoranz passt natürlich ins österreichische Politiker-Bild: viel reden, wenig wirklich tun. Es passt aber auch in die weitverbreitete Vorstellung von Denkmälern - moderne Interpretationen von historischen Ereignissen sind nicht populär.

Vielleicht lässt sich aber auch ein burgenländisches Unternehmen überzeugen, diese Aufgabe zu übernehmen und zu subventionieren. Politiker könnten dann wieder Sonntagsreden halten. (Gerfried Sperl/ DER STANDARD, Printausgabe, 26.5.2008)