Wer eine Eigentumswohnung erwirbt, nutzt meist die Dienste eines Treuhänders. In Wien dürfen nach der neuen Gesetzeslage Anwälte Treuhandgelder nur noch über "Lizenzbanken" abwickeln.

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Im Bauträgervertragsgesetz (BTVG), das am 1. Juli in Kraft tritt, werden neben zusätzlichen Kriterien für die Ausgestaltung des Bauträgervertrages und dem zwingenden Haftrücklass dem Treuhänder zusätzliche Pflichten auferlegt. Dieser muss für die Abwicklung eines Bauträgervertrages im Rahmen der Sicherstellung im Grundbuch und einer Ratenzahlung bestellt werden und darf nur in der Person eines Rechtsanwalts oder eines Notars auftreten. Das BTVG ist ein zwingendes Gesetz, auf dessen Schutzbestimmungen ein Käufer, der als Verbraucher im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes gilt, nicht verzichten darf.

Ein Anwalt muss aufgrund seiner disziplinarrechtlichen Verantwortlichkeit sogenanntes "Fremdgeld", also etwa den Kaufpreis für eine Eigentumswohnung, über die jeweilige Treuhand-Revisionseinrichtung seiner Kammer verwalten. In Wien wurde dafür das "elektronische Anwaltliche Treuhandbuch (eATHB)" geschaffen und jeder Anwalt verpflichtet, die erforderlichen technischen Einrichtungen zu schaffen. Damit verbunden ist die Abwicklung über eine sogenannte "Lizenzbank": Die Bank Austria schließt als Lizenzgeberin mit Banken, die in die Abwicklung eingebunden sein wollen, einen Lizenzvertrag mit einmaliger Lizenzgebühr und jährlicher Wartungsgebühr ab.

In den anderen Bundesländern wurde von einem Lizenzsystem und einer verbindlichen elektronischen Abwicklung abgesehen. Dadurch können sich grundsätzlich alle Banken am Abverkauf von Wohnungen über Treuhandkonten beteiligen.

Die Richtlinien für die anwaltliche Berufsausübung räumen die Möglichkeit ein, auf die Verwaltung von Fremdgeld über das Treuhandbuch zu verzichten und diese anders umzusetzen. Die BTVG-Novelle sieht in § 12 Abs. 3 Ziffer 4 allerdings vor, dass der Treuhänder "dafür zu sorgen hat, dass der Erwerber Zahlungen nur noch auf Konten entrichtet, über die der Treuhänder verfügungsberechtigt ist und die durch die Abwicklung über ein Kreditinstitut nach § 109a Absatz 5 Notariatsordnung bzw. in einer Treuhandeinrichtung der jeweiligen Rechtsanwaltskammer abgesichert sind".

Schutzsystem bringt Defizite

Dieses neue Schutzsystem bringt Defizite für Banken, Bauträger und Wiener Anwälte mit sich. Banken, die Bauträger finanzieren, wollen, dass Treuhandkonten bei ihnen eröffnet werden, damit sie neben dem Finanzierungsgeschäft mit dem Bauträger auch von der zwischenzeitlichen Liquidität durch den hinterlegten Kaufpreis profitieren können.

Gemäß der Novelle ist dies in Wien grundsätzlich nur mehr für Lizenzbanken möglich, soweit der Käufer ein Konsument ist. Für Banken, die Bauträger finanzieren, können Liquiditätsnachteile, Zinsverluste und größere Kosten bei der Zwischenfinanzierung entstehen, wenn sie mit privaten Wohnungskäufern konfrontiert sind und sich eines Wiener Anwalts bedienen, der dem eATHB unterliegt.

Die Intention der Wiener Rechtsanwaltschaft, das Vertrauen der Mandanten durch die Selbstbindung und Selbstkontrolle bei der Abwicklung einer Treuhandschaft über das eATHB zu steigern, wird somit durch den Gesetzgeber "bestraft". Dass es damit zu Spannungen zwischen Anwälten in Wien und in den Bundesländern, einzelnen Banken und Bauträgern samt Wettbewerbsverzerrungen kommen kann, nimmt der Gesetzgeber kommentarlos hin.

Erlagszinsen auf einem Treuhandkonto kommen in der Regel dem Bauträger zugute. Müssen diese mit Lizenzbanken kooperieren, mit denen sie im Tagesgeschäft nichts zu tun haben, ist mit niedrigeren Erlagszinsen zu rechnen, die sich auch negativ auf ihr Betriebsergebnis auswirken werden.

Ob die Novelle eine Erwerbsschranke für Konsumenten, eine Vergünstigung für gewerbliche Investoren oder einen "run" auf Anwälte in den Bundesländern auslösen wird, bleibt abzuwarten. Es darf aber mit Spannung beobachtet werden, wie der Markt und die Wiener Rechtsanwaltskammer auf diese Änderung reagieren. (Walter Anderl, Franz Reinthaler, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.5.2008)