Seit der Mensch Pflanzen und Tiere erforscht, bemüht er sich, sie zu ordnen. Einerseits, weil wir sonst gar keine Chance hätten, uns in ihrer Fülle einigermaßen zurechtzufinden, andererseits, weil wir hoffen, aus der Masse an Details bei entsprechender Anordnung Grundlinien der Entwicklung herauszulesen. Die dazu gehörigen Wissenschaften nennt man Systematik oder Taxonomie, und ihre Aufgabe ist es nicht nur, Tier- und Pflanzenarten zu beschreiben und zu benennen, sondern auch ihre jeweiligen Verwandtschaftsverhältnisse zu klären.

Durch neue molekularbiologische Methoden ist in den letzten Jahren gewaltige Bewegung in diese Teilgebiete der Biologie gekommen. In vielen Bereichen der Fauna und Flora waren die bis dahin angenommenen Verwandtschaftsverhältnisse auf Grund von DNA-Untersuchungen nicht mehr haltbar. Derzeit geht das Bestreben überhaupt in Richtung des so genannten DNA-Barcodings. Die Idee ist, für alle Organismen einen bestimmten Abschnitt ihres Erbgutes zur Artzuordnung zu verwenden.

Über all der Begeisterung für die neuen Methoden gerät die althergebrachte Taxonomie immer mehr ins Hintertreffen. Allerdings sind die genetischen Bestimmungstechniken weder unumstritten noch generell anwendbar und können die morphologische Beschreibung von Arten zwar ergänzen, keinesfalls aber ersetzen.

"Wir haben nicht nur eine Biodiversitätskrise, sondern auch eine Taxonomiekrise: Die Taxonomie kommt einfach nicht nach, Biodiversität zu beschreiben", erklären die jungen österreichischen Biologen Birgit Schlick-Steiner und Florian Steiner, derzeit Schrödinger-Stipendiaten an der australischen James-Cook-Universität. "Was wir brauchen, ist ein integrativer Ansatz, der die klassischen und die neuen Methoden verbindet."

Die beiden haben es geschafft, mit ihrem Gastgeber Ross H. Crozier einen Beitrag zu diesem Thema in der nächsten Ausgabe der Annual Review Serie zu platzieren, dem mit Abstand einflussreichsten Journal unter Insektenforschern. Darin stellen sie ein dreistufiges Modell vor, das bei schwer einzuordnenden Arten zur Anwendung kommt und Daten aus verschiedenen Disziplinen integrieren soll.

Arten-Verwirrung

Besonders vielversprechend ist ein solches Konzept bei so genannten Kryptospezies, also Arten, deren Vertreter einander äußerlich völlig ähnlich sehen, aber - im Widerspruch zum Kern des Artbegriffes - keine fortpflanzungsfähigen Nachkommen erzeugen können.

So gab es in den letzten 150 Jahren mehr als 500 Publikationen über Sozialverhalten, Ökologie und Invasionsbiologie von zwei Arten der weit verbreiteten Ameisen-Gattung "Tetramorium". Allerdings ergaben integrative Untersuchungen der beiden jungen Österreicher und ihrer Mitarbeiter, dass die vermeintlichen zwei Arten in Wirklichkeit mindestens sieben sind - und keiner weiß, welche Art in welcher der zahlreichen Arbeiten bisher tatsächlich beschrieben wurde. (strn/DER STANDARD, Printausgabe, 28.5.2008)