Diskutierten über Steuergerechtigkeit: Margit Schratzenstaller (Wifo), Christoph Matznetter (Finanzstaatssekretär, SPÖ), Moderatorin Eva Pfisterer, Johannes Ditz (Julius Raab Stiftung) und Werner Muhm (AK).

Foto: Renner Institut
"Die Diskussion wird eine harte werden, und es ist der Last Exit der Großen Koalition" – Finanz-Staatssekretär Christoph Matznetter machte am Dienstagabend auf einer Diskussionsveranstaltung des SP-nahen Renner-Instituts mit dem Titel "Wege zu mehr Steuergerechtigkeit" gar kein Hehl daraus, dass auf die Regierung ein heißer Herbst wartet. Die Steuerreform wird gemeinsam mit dem Budget verhandelt, und es wird "eine Nagelprobe, auch im Volumen" für die SPÖ werden, prophezeite Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm.

Folgerichtig gab es unter den Diskussionsteilnehmern – neben Matznetter und Muhm die stellvertretende Wifo-Chefin Margit Schratzenstaller und Ex-ÖVP-Minister Johannes Ditz – schon bei der Frage des Volumens der Steuerreform gegenteilige Ansichten. Schratzenstaller sah in ihrem Eröffnungsstatement jedenfalls erheblich größeren Spielraum als die bereits akkordierten 2,7 Milliarden Euro an "Bruttorahmen" – sie verwies auf die Gesundheits- und die anstehende Verwaltungsreform. Ditz nannte "mindestens vier Milliarden" als notwendige Größe, Matznetter sah dafür aber keinen Spielraum: Das Volumen solle drei Milliarden nicht überschreiten, dies sei ein Prozent des Bruttoinlandprodukts.

"Besonders schlechtes Beispiel"

Wifo-Expertin Schratzenstaller wies dann auch auf die drei Dimensionen der Steuergerechtigkeit hin, nämlich personelle und funktionelle Steuergerechtigkeit sowie Steuergerechtigkeit aus der Geschlechterperspektive. Um dann festzustellen, dass das österreichische Steuersystem in allen drei Dimensionen nicht gerecht sei, u.a. wegen der europaweit höchsten Belastung des Faktors Arbeit und der ebenso europaweit geringsten Belastung des Vermögens. Diese "Schere" gehe hierzulande im Übrigen "gegen den internationalen Trend" noch weiter auf. Außerdem bekämen Frauen nur ein Drittel der Bruttolöhne, obwohl 46 Prozent der ArbeitnehmerInnen weiblich seien, so die Wifo-Expertin. Ihre Schlussfolgerung und -forderung: "Senkung der Abgaben auf Arbeit."

Matznetter nahm die Vorlage auf und erklärte, dass Österreich zumindest derzeit "ein besonders schlechtes Beispiel im internationalen Vergleich" sei. Einiges sei aber von der SPÖ bereits getan worden, damit der Trend zumindest nicht fortgesetzt werde: Das von Teilen der ÖVP favorisierte "Familiensplitting" etwa sei "vom Tisch", ein "wichtiger Schritt" für den Staatssekretär.

"Jede Menge Lücken"

Ein ÖVPler, der nicht zu den Fans des Familiensplittings (Anm.: das Einkommen aller Familienmitglieder wird zu einem Gesamteinkommen summiert, davon dann die Steuer berechnet) zählt, ist Johannes Ditz. Der ehemalige Finanzstaatssekretär und Wirtschaftsminister ist heute Präsident des ÖVP-"Thinktanks" Julius Raab Stiftung/Zentrum für soziale Marktwirtschaft.

Ditz bemerkte zu Beginn, dass ein "historisch gewachsenes" Steuersystem wie das österreichische eben "jede Menge Lücken" aufweise. So sei ein Eingangssteuersatz von 38 Prozent, wie derzeit, schlicht "pervers – der muss auf 30 Prozent herunter". Dass man andererseits laut aktuellem Steuerrecht schon ab 50.000 Euro jährlich als "Spitzenverdiener" gelte und ab dieser Grenze 51 Prozent an Einkommensteuer zahle, sei "beschämend".

"Drei Milliarden reichen nicht"

AK-Direktor Muhm mahnte die Regierung zu einer "raschen Entwicklung beim Kilometergeld und beim Pendlerpauschale" – ein Wunsch, der prompt erfüllt wurde (siehe Artikel). Zum Volumen der Steuerreform meinte Muhm, dass drei Milliarden jedenfalls nicht reichen würden – "da ist nachher die Enttäuschung sehr groß". Erst ab 3,5 Milliarden Euro wäre eine Entlastung spürbar, so der AK-Direktor, der sich mit Ditz mehrere Wortgefechte lieferte, vor allem über die derzeit praktizierte Unternehmensbesteuerung: Er verwies darauf, dass die Körperschaftssteuer (KöSt) in Österreich de facto bei 21 Prozent liege, in Deutschland bei 29 Prozent.

Ditz bemerkte dazu, dass Österreich "nicht als Hochsteuerland" gelten sollte, und dass man die Standortpolitik "nicht außer acht lassen" dürfe. Teilweise müsse die Steuerreform außerdem gegenfinanziert werden, der Ex-Minister könnte sich etwa vorstellen, weitere Anbieter auf dem österreichischen Wettspiel-Markt zuzulassen. Mit einem Zugeständnis für eine Maßnahme, die vor allem Top-Manager treffen würde, ließ Ditz dann noch aufhorchen: "Die steuerliche Begünstigung der Stock Options (Aktienoptionen, Anm.) kann man streichen – dann wird das Volumen auch gleich wieder größer."

"Büchse der Pandora"

Uneinigkeit, vor allem zwischen Ditz und Matznetter, gab es dann wieder bei der Frage, wer von der Steuerreform am meisten profitieren solle. "Bei Einkommen bis 4.000 Euro anzusetzen, ist grundrichtig", so Matznetter, der sich auch grundsätzlich eine Indexierung der Steuergrenzen vorstellen kann – auch wenn man damit "eine Büchse der Pandora" öffne: "Wir müssen uns klar darüber sein, dass dann alles –Kilometergeld, Pendlerpauschale etc., automatisch, vom Computer, erhöht wird."

Ohnehin längst fällig sei die Anhebung jener Grenze, ab der der Spitzensteuersatz bezahlt wird, von derzeit 50.000 auf 75.000 Euro, bemerkte Schratzenstaller dazu. (Anm.: Bei dieser Höhe läge die Grenze heute, wäre sie laufend an den Index angepasst worden.) Matznetter wollte sich damit aber nicht so recht anfreunden: "Eine Anhebung auf 75.000 Euro bringt eine Steuerersparnis von 2000 Euro für die Spitzenverdiener – nur, damit wir wissen, wovon wir reden", wies er die Wifo-Expertin hin.

"Unten anfangen"

Bezüglich der Profiteure der Steuerreform gab Schratzenstaller dem Finanzstaatssekretär dann noch eine Empfehlung mit auf den Weg: "Unten anfangen, bei der Mitte weitermachen, und wenn dann noch Spielraum da ist, auch die oberen Einkommen entlasten."

Und Matznetter seinerseits schloss seine Ausführungen mit einer Kampfansage an die Industriellenvereinigung (IV): "Wir werden irgendwann die Frage stellen, ob sich ein Staat dauerhaft erpressen lässt", antwortete er auf die anhaltenden Signale aus der IV, eine Steuerreform ohne Senkung des Spitzensteuersatzes nicht akzeptieren zu wollen. (Martin Putschögl, derStandard.at, 28.5.2008)