Euer Kind liegt tot unter den Trümmern, der Staat erlaubt euch ausnahmsweise, noch eines zu produzieren. China hat seit Jahrzehnten die "Ein-Kind-Politik" - weil es schon 1,4 Milliarden Chinesen gibt. Wer zuwiderhandelt, wird bestraft. Staatliche Zwangsabtreibungen sind nicht außergewöhnlich.

Nun hat das verheerende Beben in Sichuan das Leben tausender Kinder aus Ein-Kind-Familien gekostet. Die chinesische Führung erlaubt daher den trauernden Eltern offiziell, ein weiteres Kind zu haben. Aber in der betroffenen Region wandelt sich die Trauer immer mehr in rasende Wut. Den lokalen Behördenvertretern werden Fragen ins Gesicht geschrien: Warum ist die Schule mit hunderten Kindern zusammengebrochen, aber das Parteigebäude nebenan steht noch? Warum wurde schlechter Stahlbeton verwendet?

Wieder ein Beispiel für die in China endemische Korruption unter kommunistischen Kadern, da besteht kaum ein Zweifel. Ein gigantischer Gängelungs-staat, der in die intimste Sphäre der Familie eingreift und seinen Bürgern zu den Olympischen Spielen das Ausspucken verbietet, aber die Kinder in baufällige Buden schickt. (rau/DER STANDARD, Printausgabe, 21.5.2008)