Ich war beeindruckt von ihrer Eloquenz und Weltoffenheit ebenso wie von ihrem unbekümmerten Umgang mit heiklen Fragen der deutschen Gegenwart. Sie kommt aus einer nazifeindlichen Familie; ihre Eltern hielten während der Kriegsjahre ein jüdisches Mädchen versteckt. Als Präsidentin der deutsch-polnischen Universität in Frankfurt/Oder hat sie seit 1999 Sponsoren und Studenten motiviert. Im Jahr 2004 wurde sie dann als SPD-Kandidatin gegen Horst Köhler aufgestellt. Trotz Stimmen aus dem konservativen Lager verlor sie im ersten Wahlgang.
Nach der überraschenden, einstimmigen Entscheidung der SPD-Führung, die 65-jährige Politprofessorin wieder als Kandidaten gegen einen amtierenden Bundespräsidenten aufzustellen, geben ihr erste Blitzumfragen keine Chancen. Doch waren selbst konservative Beobachter beeindruckt durch Schwans Auftreten bei der ersten langen Pressekonferenz nach ihrer Nominierung. Angesichts ihrer medialen Schlagfertigkeit schrieb die Leitartiklerin der Welt, "welch Geschenk des Himmels in diesen für die Sozialdemokraten so trostlosen Zeiten".
Sie empfinde Lust, weil die Demokratie nun einmal immer schon ihre Lebensaufgabe gewesen sei - die Demokratie brauche Mut, sagte Schwan. "Lust" in der Politik ist freilich eine ungewöhnliche Kategorie. Ich kann mich nur an eine ähnliche Aussage eines Politikers erinnern, nämlich an Bruno Kreisky bei einem Pressegespräch im Frühjahr 1970 am Anfang seines beispiellosen Triumphzuges. Obwohl seit eh und je eine stramme Antikommunistin und einst "Rechtsabweichlerin" (im Falle des Nato-Doppelbeschlusses), bekundete Gesine Schwan nun ihre Bereitschaft, auch die Stimmen der Linkspartei zu akzeptieren. In den Reihen des CDU-Koalitionspartners brach ein Sturm der Entrüstung los.