Wenn ein einst bejubeltes Restaurant nach dem Verlust des Michelin-Sterns zwei Jahre dichtmacht und dann doch wieder aufsperrt, darf man sich eigentlich eine Totalrenovierung erwarten. Die Schlosstaverne in Grafenegg aber sieht - bis auf Details - ganz genau so aus wie früher: links der bieder aufgemascherlte Tantentrakt in Kanariengelb, ideal für Muttertage und andere Familienkrachs, rechts die Jagdstube in speckig-behäbigem Rustikal-Ambiente. Zum Glück gibt es den ungleich entspannteren Gastgarten, von dem man auf das Schloss, den englischen Park und, vor allem, den kraftvoll-skulpturalen und auch sonst ganz wunderbaren Freiluft-Konzertpavillon der "Next Enterprise"-Architekten sieht, der im Vorjahr eröffnet wurde.
Was neu ist? Die Toiletten, die Zimmer im ersten Stock, die Küche unter Thomas Törpel. Und, natürlich, das große Auditorium nebenan, dessen Bau die Schließung der Taverne notwendig machte. Mit ihm ist Grafenegg endgültig zur gewichtigen Kulturdestination gewachsen.
Am liebsten alles
Dem zu erwartenden Gäste-Aufkommen begegnet Mörwald mit einem modularen Konzept, das die Küche stark fordert, dessen Ausführung aber überzeugt: Vom Gabelfrühstück mit Schinkenrolle, kleinem Gulasch und gerösteter Leber über ein tadellos gebackenes Schweinsschnitzel mit Salat (zum Kampfpreis von 6,80 Euro!), Kardinalschnitten, Eiskaffee und Kaiserschmarrn für die Bustouris bis zur inspirierten Menükarte wird ein weiter Bogen gespannt. Offenbar wurde hier das längst vergessene Prinzip des Gutsgasthofs, in dem vom Hackler bis zur Herrschaft alle glücklich werden sollen, aus der Versenkung geholt.
Speziell die "große Karte" ist so geschrieben, dass man am liebsten alles bestellen möchte: Wirtshausklassiker wie Rieslingbeuschel und Kalbsgulasch, aber auch knusprige Wachtelbrust auf Morchelsauce oder Tartare vom Seesaibling samt Kaviar auf kühler, luftig aufgeschlagener Erdäpfelcreme. Das viergängige "Querschnitt"-Menü (34 Euro) wechselt täglich und bietet erstaunliche Preiswürdigkeit: Etwa Solospargel mit roh mariniertem Alpenlachs, dann Donauwaller mit muskulös papriziertem Bratensaft und Dille (toll!), schließlich ein kurz und scharf gebratenes Hirschfilet auf kaum blanchiertem, knackigem Blattspinat mit Eierschwammerln: unprätentiös, elegant, wirklich gut.
Weiters stehen Alpenlachs und Bauernente im Ganzen gebraten auf der Karte - für zwei Personen, bei Tisch tranchiert: Diese Kultur des Bratens großer Stücke passt ideal zum Wesen einer Schlosstaverne. Spätestens da weiß man, dass man hier wieder her will - weil es, Hupfer in den nahen Kamp inklusive, schlicht eine gute Landpartie ist. (Severin Corti/Der Standard/rondo/30/05/2008)