Da sich wohl nur wenige in seiner Partei finden, die ihm noch zu Hilfe eilen werden, bleibt es an ihm, sein politisches Überleben selbst zu organisieren. "Wenn sich bis Oktober nichts Gravierendes ändert, bekommt Gusenbauer keine Mehrheit", sagt ein führender SPÖ-Politiker unmissverständlich. Gusenbauer hat an der Basis, in den Ländern und vor allem in der mächtigen Wiener SPÖ keinen sicheren Rückhalt mehr.

Es sind nicht die dummen Sager und schnell dahingesagten Provokationen. Die runden das Bild nur ab. Auf Gusenbauer lastet nach wie vor die Schuld der ersten Stunde, als er alle wichtigen Wahlversprechen dem Gegner ÖVP opferte. Das sitzt ganz tief im Fleisch der SPÖ. Er wird als intelligent, als außenpolitisch hochkompetent, als Vollprofi geschätzt. Er wird geachtet, aber nicht geliebt, und er muss Felsen bewegen, um bis zum Oktober-Parteitag, auf dem er sich der Wiederwahl stellen muss, die verlorene Glaubwürdigkeit wiederzuerlangen. Und er muss Buße tun für die Kränkungen, die er seiner Basis zugemutet hat.

Auch wenn er es nicht wirklich realisieren will: Seine Partei scheint drauf und dran zu sein, ihn, wenn es sein muss, zu opfern. Als Beiwagerl in einer Regierung, als Partei, die ihr Gesicht verloren hat, will sie nicht mehr weiterleben. Die Aufrufe einzelner Pragmatiker in der Partei zur Geschlossenheit klingen wenig überzeugend. Sie sind nur Appelle zur Absicherung der Bundeskanzler-Macht. Wirklich emotional steht kaum noch jemand hinter dem Kanzler.

Andererseits: Gusenbauer war immer dann am stärksten, wenn niemand mehr an ihn glaubte. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.5.2008)