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Nach der Niederlage der Ausschluss: Christoph Blocher – hier mit Ehefrau Silvia – ließ nach den gescheiterten Referenden Justizministerin Widmer-Schlumpf samt Sektion aus der SVP ausschließen.

Foto: REUTERS/RUBEN SPRICH
Unerwartet deutlich haben die Schweizer Stimmbürger am Sonntag Nein gesagt zum Volksbegehren der SVP "für demokratische Einbürgerungen". Mit rund 65 Prozent Neinstimmen wurde die Vorlage abgelehnt, nach welcher das Einbürgerungsrecht verschärft werden sollte. Auch zwei andere Vorlagen zur Gesundheitspolitik und zum Abstimmungsrecht, die maßgeblich von der SVP unterstützt wurden, scheiterten klar.

Für die rechtskonservative Volkspartei SVP war es ein schwarzer Sonntag, der zeigte, dass auch für die große Siegerin der Wahlen von Herbst 2007 die Bäume nicht in den Himmel wachsen: Die SVP ist mit ihrem radikalen Oppositionskurs vom Schweizer Volk unsanft auf den Boden der politischen Realität zurückgeholt worden. Nur etwas mehr als ein Drittel der Stimmenden unterstützte das SVP-Einbürgerungsbegehren, welches von der Parteileitung zum ersten großen Test für ihre Oppositionspolitik erklärt worden war. Die Mehrheit folgte den Argumenten der Regierung, der übrigen Parteien und auch der Rechtsexperten, die warnten, das Begehren stelle den demokratischen Rechtsstaat grundsätzlich infrage. Die Forderung der SVP, über Einbürgerungen künftig wieder an Gemeinde-Bürgerversammlungen oder mittels Urnen-Abstimmungen zu entscheiden, ohne dass es eine Begründungspflicht und eine Rekursmöglichkeit für abgelehnte Gesuchsteller gäbe, würde der Willkür Tür und Tor öffnen.

"Das Schweizer Stimmvolk hat sich heute sehr reif gezeigt und ist nicht der Millionenpropaganda der SVP gefolgt", freute sich der Parteichef der Sozialdemokraten, Christian Levrat. "Dies ist ein Sieg für die offene, demokratische und solidarische Schweiz." Nun wollen die Sozialdemokraten im Gegenzug einen Vorstoß lancieren, um den in der Schweiz geborenen Ausländern der dritten Generation sofort das Schweizer Bürgerrecht zu geben. Dies würde die Integration der ausländischen Wohnbevölkerung fördern, so Levrat.

Parteiausschluss folgte

Ausgerechnet am Abstimmungssonntag fällte der Zentralvorstand der Schweizer SVP dann den Entscheid, die SVP-Kantonalsektion Graubünden aus der Partei auszuschließen. Dies ist eine Spätfolge der Abwahl von SVP-Justizminister Christoph Blocher durch das Parlament im vergangenen Dezember: Die SVP-Leitung wollte die an Blochers Stelle gewählte SVP-Politikerin aus Graubünden, Eveline Widmer-Schlumpf, aus der Partei ausschließen; da sich ihre Kantonalsektion aber hinter Widmer-Schlumpf stellte, soll nun gleich die ganze Sektion aus geschlossen werden. "Dieser Entscheid ist uns nicht leichtgefallen, doch er ist notwendig für die Glaubwürdigkeit unserer Partei", sagte Parteichef Toni Brunner dazu im Schweizer Rundfunk.

Wie es nun weitergeht, ist offen. Dass es auch auf nationaler Ebene zu einer Spaltung der SVP kommt, ist denkbar. Entscheidungen dürften schon in den nächsten Tagen fallen. Insbesondere im Kanton Bern hat sich eine Mehrheit der SVP-Politiker mit den Graubündnern solidarisiert. Im nationalen Parteivorstand allerdings sind die Kräfteverhältnisse klar: Für den Ausschluss der Graubündner Sektion votierten 81 Delegierte, dagegen bloß deren fünf. Blocher, der die Partei führte, hatte sich im März zu einem der Vizepräsidenten der SVP wählen lassen und ist nun offiziell zuständig für den Bereich "Recherchen, Strategie, Kampagnen". Seine Kandidatur für die Nachfolge von Bundespräsident Pascal Couchepin hat er ins Spiel gebracht. (Klaus Bonanomi aus Bern/DER STANDARD, Printausgabe, 2.6.2008)