Wien – SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer wirft Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) vor, die Vereinbarung einer Vermögenszuwachssteuer zur Finanzierung des Gesundheitswesens zu verleugnen. Molterer hatte am Mittwochabend erklärt, die Gesundheitsreform komme auch ohne der vereinbarten Vermögenszuwachssteuer aus. Es sei ihm „schleierhaft“, wie Molterer dies behaupten habe können, erklärte Krainer am Donnerstag.

„Ich nehme an, dass der ÖVP-Chef seiner Klientel der Reichen und Superreichen doch noch ,Gutes’ tun will, nachdem mit der Einigung im Finanzausschuss den Superreichen mit ihren Stiftungen gegen die ursprüngliche Absicht der ÖVP keine Steuergeschenke gemacht werden“. Faktum sei, dass die Vermögenszuwachssteuer im März zwischen SPÖ und ÖVP ausgemacht worden sei, um die Finanzierung des Gesundheitswesens zu gewährleisten, betonte Krainer.

Molterer hatte seinerseits darauf hingewiesen, dass Kanzler Alfred Gusenbauer der Pensionsautomatik zugestimmt habe, die jetzt von der SPÖ abgelehnt wird. Die entscheidende Frage für Molterer: „Was ist das Wort von Gusenbauer wert?“ (red)

Juli möglich

Auch die zuletzt noch skeptische Nationalratspräsidentin Prammer hält einen Beschluss noch vor dem Sommer für möglich. Es gebe zwar noch Diskussionsbedarf, dies könne man aber mit gutem Willen im Juni erledigen, sagte Prammer nach der Klubsitzung der SPÖ im Parlament. Sozialminister Buchinger geht von der Zustimmung "fast aller" SPÖ-Abgeordneten aus. Insbesondere aufseiten der oberösterreichischen Abgeordneten gebe es noch Skepsis.

Kritische Stimmen gibt es weiter von Teilen der roten Gewerkschafter. Skeptisch zeigte sich vor allem Metallergewerkschafter und SP-Abgeordneter Riepl. Auch der Chef der Pensionsversicherungsanstalt, Karl Haas, bleibt bei seiner Kritik. Nach wie vor gebe es "den Deal: Geld für Macht". Die Verschiebung zugunsten der Arbeitgeber sei für die Arbeitnehmer nicht akzeptierbar, meinte der Metaller-Bundessekretär.

Rasinger skeptisch - Öllinger: "Murks"

Skeptisch zeigt sich ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger über die Einigung der Regierungsparteien zur Gesundheitsreform. Er hoffe, dass in den parlamentarischen Beratungen noch "etwas Vernünftiges" erreicht wird. "Vor allem möchte ich den Ärzten das Gefühl nehmen, Sündenböcke" zu sein, so Rasinger im Radio-Mittagsjournal des ORF. Es gehe um ein "schlankes unbürokratisches System, das Ärzte nicht quält oder nicht so agiert, dass Ärzte sich gequält fühlen", so Rasinger.

Auch Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll lehnt den Regierungsentwurf für eine Gesundheitsreform ab. Im "Kurier" (Freitag-Ausgabe) sagt Pröll, das Durchgriffsrecht der Holding auf die einzelnen Gebietskrankenkassen werde von den Bundesländern strikt abgelehnt. Auch die Nachbesserung habe "nichts geändert. Wir sind gegen dieses Paket".

Als "Murks mit Ablaufdatum" bezeichnete der Grüne Sozialsprecher Karl Öllinger die Einigung der Koalitionsparteien zur Gesundheitsreform. Die "de facto-Abschaffung der Selbstverwaltung" über weitreichende und direkte Eingriffsmöglichkeiten der Politik werde ergänzt durch eine Erhöhung der stimmberechtigten Mitglieder des zukünftigen Verwaltungsrates um 50 Prozent von derzeit zwölf auf 18. Dieser Verwaltungsrat sei damit schon allein auf Grund seiner Größe arbeitsunfähig. Außerdem hätten die Stimmen der 300.000 Selbstständigen dasselbe Gewicht wie 3,3 Millionen unselbstständig Erwerbstätige. Postenfragen und Machtspielchen stünden im Vordergrund.

Einrichtung einer Schiedsstelle

Nach den vorgenommenen Änderungen der Regierung soll den Ärzten durch die Einrichtung einer Schiedsstelle (in der neben Richtern auch Ärztekammer und Sozialversicherung sitzen sollen) und die Verschiebung der Patientenquittung entgegengekommen werden. Die kritischen SPÖ- und ÖVP-Gewerkschafter versuchte man mit einer Vertretung der Pensionisten und Kassen im Verwaltungsrat und einem (aufschiebenden) Veto der Kassen gegen Vorgaben der künftigen Sozialversicherungsholding zu beruhigen. (red, APA)