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Die Milch der Kühe fließt statt in die Gülle wieder in die Lieferwagen der Molkereien. Deutsche Diskonter sind zu höheren Preisen bereit, österreichische Handelsketten ziehen nicht mit.

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Die Milchbauern liefern wieder flächendeckend an die Molkereien. Der Druck aus den eigenen Reihen stieg. Zusagen über höhere Preise gibt es nicht. Doch Kartellwächter nehmen die Milchgipfel unter die Lupe.

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Wien/Berlin - Die österreichischen Milchbauern beenden ihren Lieferstreik. Ab heute, Freitag, sollen die Molkereien nach einer Woche des Boykotts flächendeckend beliefert werden. Der Forderung nach höheren Preisen sind bisher weder die Verarbeiter noch der Handel nachgekommen. Prognosen der Bauern, dass den Supermärkten die Milch ausgehe, haben sich nicht erfüllt.

Zum Streik aufgerufen hatte die IG Milch. 15.000 Landwirte hätten sich ihren Aussagen nach am Boykott beteiligt. Für heute seien erste Blockaden von Milchverarbeitern in Salzburg angemeldet worden.

"Wir wurden jetzt aber von vielen Seiten ersucht, den Druck herauszunehmen. Auch von den Bauern selbst", sagte der IG Milch-Obmann Ernst Halbmayr am Donnerstag vor Journalisten. Die vergangene Woche sei eine Zerreißprobe für Familien und Dörfer gewesen. "Wir machen nun den ersten Schritt und hoffen, dass sich jetzt auch die andere Seite auf uns zubewegt."

Dass der Streik ein leerer Schlag ins Wasser war, diesen Schluss lasse er nicht zu. Die IG Milch habe nie einen Sieg auf allen Linien erwartet. Es gebe jedoch Zusagen für Gespräche mit allen Interessenvertretern, eine Bilanz über den Erfolg der Streiks könne man im Herbst ziehen. Der Lieferstopp habe auf jeden Fall zu einer Zäsur in der Ag- rarpolitik geführt, ergänzte sein IG-Milch-Kollege Ewald Grünzweil.

Das Resümee, das der Chef des Verbands der Milchverarbeiter, Johann Költringer, zieht, fällt anders aus. "Der Boykott hat tiefe Gräben zwischen den Bauern gerissen", ist er überzeugt. Österreichs Konsumenten seien verunsichert, der finanzielle Schaden für die Molkereien lasse sich noch nicht beziffern. Dass einzelne Verarbeiter den Bauern höhere Preise zugesichert hätten, sei ihm nicht bekannt.

Handelsmanager wie Rewe-Chef Frank Hensel hatten betont, keinen Anlass für Preiserhöhungen in Ös- terreich zu sehen. Dass Rewe ihre Preise nicht von heute auf morgen anheben werde, sei klar, sagt Halbmayr. "Es geht hier um einen längerfristigen Prozess." Die Arbeiterkammer ortet in den Milchgipfeln ein Preiskartell. Jetzt schaltet sich auch die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde ein, bestätigt ihr Sprecher Stefan Keznickl im Gespräch mit dem STANDARD. "Wir wollen wissen, was Sache ist."

Die Molkereien verzeichneten in den vergangenen Tagen nach eigenen Angaben Lieferausfälle von 20 bis 25 Prozent, die IG Milch bezifferte sie mit bis zu 60 Prozent. Einzelne Verarbeiter stoppten ihre Käseerzeugung. Die Bauern verloren im Schnitt je Streiktag und Betrieb Einnahmen von etwa 250 Euro.

In Österreich sind rund 85 Prozent der Molkereien bäuerliche Genossenschaften. Zum Vergleich: In Deutschland ist die Hälfte der Verarbeiter in privaten Händen. Aber auch in Österreich ist das Mitspracherecht der Landwirte bei ihren Genossenschaften sehr gering.

Zu einem Ende des Lieferboykotts rief am Donnerstag auch der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter, Romuald Schaber, auf. "Ich fordere Sie auf, wieder Milch zu liefern", sagte er vor mehreren tausend Bauern am Brandenburger Tor in Berlin.

Jetzt gehe es darum, zur Normalität zurückzukehren. Wenn Handel und Molkereien aber versuchten, die Bauern bei den Preisverhandlungen aufs Kreuz zu legen, "dann sind wir wieder da". Nach Angaben des Verbands seien Lidl, Rewe, Norma, Plus und Aldi-Süd bereit, höhere Preise zu zahlen. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.6.2008)