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Operation freies Leitungsnetz in der EU: Die Demontage der großen Konzerne ist vorerst abgesagt.

Foto: AP/Probst
Das von den EU-Wirtschaftsministern beschlossene Energiepaket stößt bei Experten auf heftige Kritik. Österreichs Energieregulator spricht von einem Versuch, eine Nicht-Einigung als Einigung darzustellen.
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Brüssel/Wien - Die EU-Staaten können bei der Entflechtung von Energieerzeugern und Netzbetreibern zwischen drei Varianten wählen: Die eigentumsrechtliche Trennung, eine strenge organisatorische Teilung und schließlich ein Weg, bei dem die bisherige Konzernmutter weiter maßgeblich über die Netztochter verfügen kann.

Für letztere Möglichkeit haben sich Österreich, Deutschland und Frankreich entschieden. Am Widerstand dieser Länder scheiterte letztendlich auch der Vorstoß der EU-Kommission, eine verpflichtende eigentumsrechtliche Trennung durchzusetzen. Die EU-Kommission erwartete sich von einer Zerschlagung der großen Energiekonzerne mehr Wettbewerb und sinkende Energiepreise.

Österreichs Wirtschaftsminister Martin Bartenstein hielt dem entgegen, dass eine Zerschlagung des Verbund die Versorgungssicherheit gefährde. zudem wären auch künftige Investitionen in das Netz gefährdet.

"Kein wirklicher Durchbruch"

Der österreichische Energieregulator Walter Boltz ist mit dem Kompromiss der EU-Energieminister zu einigen Kernpunkten nicht zufrieden. "Ein wirklicher Durchbruch ist das nicht", sagte Boltz, "sondern der diplomatische Versuch, eine Nicht-Einigung in eine Einigung zu verpacken." Er schließt nicht aus, dass die Verhandlungen über einen konkreten Rechtstext noch scheitern oder die angestrebte Unabhängigkeit der Netzbetreiber - zulasten der Konsumenten - weiter verwässert wird.

"Ich persönlich glaube, dass denen das Ganze immer noch um die Ohren fliegen kann", sagte Boltz. Es bleibe abzuwarten, ob die Einigung auf den bis zuletzt strittigen Kompromiss in einigen wenigen Bereichen für die weitere Arbeit ausreiche.

Offene Fragen

Wichtige technische Fragen blieben zu klären, bei vielen Punkten - wie einer Dachagentur der Regulatoren, um ihnen mehr Einfluss einzuräumen - gebe es Vorbehalte. Das alles sei aber für den Erfolg der Reform und die Ankurbelung des Wettbewerbs auf den europäischen Energiemärkten unabdingbar. Außerdem sei noch eine Einigung mit dem EU-Parlament notwendig, das sich auf Ausschussebene für eine volle eigentumsrechtliche Entflechtung ausgesprochen hat, argumentiert Boltz.

Die Austöchterung der Netze in Österreich hat nach Ansicht des Energieregulators "nicht ganz schlecht" funktioniert. Die Verbund-Netztochter Austrian Power Grid sei ein "durchaus neutraler Netzbetreiber", schon deshalb, weil der Verbund Strom ins Ausland exportieren wolle. Auch die Gas-Tochter der OMV AGGM funktioniert aus Sicht des Regulator. Als Modell für Europa will Boltz sie dennoch nicht sehen. (mimo, APA, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.6.2008)