Eine Sandmücke - potenzielle Überträgerin der Leishmaniose

Foto: WHO

Kommt das Streichelverbot für Hunde in Andalusien? Im Süden Spaniens gelten nämlich bis zu 42 Prozent der Tiere mit Leishmaniose infiziert, auf Sizilien gar bis zu 80 Prozent. Aufgrund der Symptomvielfalt ist die Krankheit bei den Tieren schwer diagnostizierbar, weshalb man die man die Leishmaniose, die Mensch wie Tier befällt, im Spanischen auch "Krankheit der 1000 Gesichter".

Die Übeltäter sind Erreger des Typs Leishmania, die der britische Armeearzt William Leishman entdeckte, der auch der einstigen Tropenkrankheit den Namen gab. In der Zwischenzeit eroberte sie auch den Mittelmeerraum - gemeinsam mit ihren Überträgern, den Sandmücken (siehe Bild).

Glaubte man in den 1950er-Jahren, die Erreger durch Insektizideinsatz wie DDT eingedämmt zu haben, erlebt sie nun eine - mitunter Medikamenten resistente - Wiedergeburt, und zwar großflächig von Brasilien über die Mittelmeerländer bis nach Indien. 500.000 Menschen erkranken jährlich weltweit, die Dunkelziffer dürfte höher liegen.

Beim Mückenstich geraten die Parasiten in die oberen Hautschichten, was auch beim Menschen mit einer leichten Rötung beginnt, wandelt sich in juckende Knoten und schmerzhafte Geschwüre von bis zu fünf Zentimeter Durchmesser.

Leishmaniose tritt in drei gängigen Varianten auf. Die so genannte viszerale Form (Dum-Dum- oder Schwarzes Fieber) befällt innere Organe. Die zweite Form ist die auf die Haut beschränkte kutane Leishmaniose, die Alexander Russel 1756 in der Türkei erstmals beobachtete und "Aleppo-Beule" taufte. Diese heilen nach zwei Jahren selbstständig ab, kann aber das Gesicht der Erkrankten fürchterlich entstellen. 1977 zählte Indien knapp 70.000 der in Hindi Kala-Azar ("Schwarze Haut") genannte Krankheit. Drei Prozent der Fälle enden tödlich.

Die dritte Leishmaniose-Form befällt Schleimhäute.

Kopfzerbrechen bereiten Forschern, aber auch der Weltgesundheitsorganisation WHO vor allem Ko-Infektionen - und dabei insbesondere jener mit Aids. Jorge Alvar, Mikrobiologe der Madrider Universidad Carlos III forscht seit Dekaden an der Leishmaniose und warnte bereits 1995 vor Doppelinfektion, die bereits ein Jahrzehnt vorher erstmal beobachtet worden waren.

Im Fachblatt "Clinical Microbiology Reviews" (Bd. 21, S. 334) kritisiert Alvar jüngst die auf Europa fokussierte Beobachtung: "Man vergisst Afrika und Asien." Behandlungskosten von bis zu 160 Euro sind für die zumeist betroffenen ärmeren Schichten in diesen Weltgegenden meist zu teuer.

Ko-Autor Javier Moreno unterstreicht Synergien beider Krankheiten: Aids schwäche die Immun-Abwehr, die Leishmania-Erreger verbreiten sich rascher, fordern das Rest-Immunsystem und beschleunigen den Aids-Verlauf.

Spanien stark betroffen

In Europa zählt Spanien die meisten Fälle: 2001 waren knapp 2000 Fälle von Doppelpathologien bekannt, wobei 90 Prozent der europäischen Fälle aus Spanien, Portugal, Frankreich und Italien stammen.

In Industrienationen betrifft die Aids/Leishmaniose großteils intravenös drogensüchtige Männer. Beim Spritzentausch überträgt man Parasiten. Alvar fordert deshalb, die Leishmaniose auf die Liste der mit Aids einhergehenden 13 Krankheiten - wie TBC, Herpes, Syphilis und das Kaposi-Sarkom - zu setzen.

In Brasilien, wo rund 10.000 Fälle gezählt werden, hat die Leishmaniose Gebiete mit hoher HIV-Durchseuchung erreicht. In Afrika sind Doppelinfektionen durch Migration und Krieg sogar exponenziell im Ansteigen begriffen: So hätten 30 Prozent aller Aids-Kranken im Nordwesten Äthiopiens bereits Leishmaniose.

Der seit 2004 erhältliche Wirkstoff Miltefosin biete gute Heilungschancen. An weiteren Therapien und Impfungen wird geforscht. Besten Schutz bietet indes - leicht gesagt als getan - die Vermeidung von Stichen. (Jan Marot aus Granada/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10. 6. 2008)