Grafik: DER STANDARD
Wien – So etwas ist Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) nicht gewohnt. Wer in seinem Niederösterreich gegen seine Politik aufmuckt, der muss mit unangenehmen Konsequenzen rechnen. Niederösterreichs SP-Chef und Pröll-Vize Josef Leitner hat es gewagt, dem Budgetentwurf nicht zuzustimmen – und wird prompt einiger Kompetenzen entledigt, die nun zur ÖVP wandern. Denn Leitner "torpediert den erfolgreichen Weg des Landes", argumentierte der schwarze Klubobmann Klaus Schneeberger. Ein "beispielloser Akt parteipolitischer Willkür" sei das, schäumt die SPÖ. Machen kann sie freilich nichts dagegen, die ÖVP kann diese Strafe mit ihrer absoluten Mehrheit in der Landesregierung beschließen.

Dass sich Pröll in der Landesregierung überhaupt mit anderen Parteien herumschlagen muss, "verdankt" er der niederösterreichischen Landesverfassung: Dort ist der Zwangs-Proporz festgeschrieben, also die Grundregel, dass alle Parteien ab einer gewissen Größe – die Latte liegt bei etwa neun Prozent – in der Regierung vertreten sein müssen. Den Proporz gibt es außerdem noch in Oberösterreich, Kärnten, der Steiermark und im Burgenland.

Entstanden ist die Idee des Proporzes in den Anfängen der Ersten Republik, erklärt Herbert Dachs, Politikwissenschafter an der Universität Salzburg, im Gespräch mit dem Standard: "Unmittelbar nach Zusammenbruch der Monarchie hatte man das Gefühl, es würde die Gesellschaft zerreißen, wenn nicht alle wesentlichen Gruppen in der Regierung vertreten wären."

Grundsätzlich seien Proporzregierungen aber "demokratiepolitisch problematisch", meint Dachs: "Sie führen zu struktureller Ereignislosigkeit.“ Das "dynamische Element von Demokratie, dass man bei jeder Wahl etwas verändern kann", werde relativiert, der Proporz sei daher ein "Merkmal von unfertigen Demokratien". Der Landtag spiele in so einem System eine ganz geringe Rolle, sagt Dachs: "Die Parteien werden streng vergattert, weil alle an der Regierung beteiligt sind." Tirol und Salzburg haben den Proporz nach langwierigen Diskussionen 1998 abgeschafft, dazu war jeweils eine Zweidrittelmehrheit im Landtag nötig. Für die Parteien sei dies keine ideologische Diskussion, sondern eine ganz opportunistische. Dachs: "Wenn sie glauben, dass sie Macht verlieren könnten, dann sind sie gegen die Abschaffung des Proporz." Besonders schwierig ist die Situation für einen Juniorpartner in einer Proporzregierung: "Wenn man etwas kritisiert, dann sagt der größere Partner: Du sitzt ja selber im Glashaus, also wirf nicht mit Steinen." Hat ein Regierungspartner noch dazu eine absolute Mehrheit, dann wird es besonders schwierig, das eigene Profil zu schärfen – siehe SP Niederösterreich. (Andrea Heigl/DER STANDARD Printausgabe, 11. Juni 2008)