Sollte Polen nicht geschlagen werden, gäbe es wohl eine neue Nummer eins, eine Langspielplatte (Anmerkung für junge Leser: Das war der Vorgänger der CD, mittlerweile ausgestorben): "Leider vorbei, gegen Deutschland geht es um die Ehre, die Stimmung war gut, wir müssen lernen."
Der 22-jährige Ümit Korkmaz mag all das schon gesagt oder gar gesungen haben (Langspielplatte ausgenommen). In Lindabrunn, auf Sardinien, in Graz, in Wien, in Stegersbach. Der 8. Mai, der Tag, an dem sich die Nationalmannschaft zur Vorbereitung auf die EURO getroffen hat (wo eigentlich?), ist verdammt weit weg. Korkmaz kann sich eher an den vergangenen Sonntag erinnern, an die 69. Minute, als ihn Josef Hickersberger gegen Kroatien eingetauscht hat. Zehntausende im Happel-Stadion haben "Ümit, Ümit" gerufen. Und der Ümit ist an der linken Seite gelaufen und gelaufen, hat das Spiel beschleunigt und beschleunigt. "Ein geiles Gefühl."
Als er drei Stunden vor Anpfiff erfahren musste, dass er nicht der Startformation angehört, war er traurig. "Aber der Teamchef entscheidet. Fußball ist ein Mannschaftssport, da geht es nicht um persönliche Befindlichkeiten. Man kann nicht sagen, dass ich der Gewinner war. Wir haben verloren."
Der Ümit ist in Wien-Fünfhaus, dem 15. Bezirk, aufgewachsen. Die Eltern sind einst als Gastarbeiter aus der Türkei gekommen und geblieben. Der Ümit ist stolz auf seinen Migrationshintergrund. Er ist Türke und Österreicher, er war und bleibt irgendwie Rapidler, er drückt Fenerbahce die Daumen. Vor ein paar Tagen hat er einen Vierjahresvertrag bei Eintracht Frankfurt unterschrieben. "Jetzt bin ich Frankfurter. Keine Ahnung, was mich dort erwartet. Man muss Herausforderungen suchen und annehmen."
Unbekümmert
Der Ümit hat im Beserlpark den Fußball erlernt, in einem Käfig. Dort war das grüne Gras aus grauem Beton. Als Bub hat er auch schon gegen polnische Gastarbeiterkinder gespielt. "Und gewonnen, also bin ich vorbereitet." Der Ümit hat bis 2005 beim Slovan/HAC in der Wiener Unterliga gedient, immerhin ist er Spionen von Rapid aufgefallen und einem österreichischen Schicksal entgangen. 2008 trug er zum Meistertitel wesentlich bei. Korkmaz ist sich selbst ein Rätsel. "Keine Ahnung, warum ich so unbekümmert bin. Diese Eigenschaft habe ich mir bewahrt. Ich hoffe, sie bleibt."
Er hätte seinen Vertrag bei Rapid erfüllen können, da wäre er auf der sicheren Seite des Bettes gelegen. Aber nein, es musste Frankfurt sein, die zahlten rund vier Millionen Euro Ablöse. "Das soll nicht die Endstation meiner Reise sein." Ümit Korkmaz stellt sich manchmal folgende Frage: "Geht das alles nicht zu schnell?" Nach reiflicher Überlegung antwortet er: "Nein. Du sollst nicht an dir zweifeln."