Erstickt mit einer halben Semmel und einer kleinen Aufstrichdose fand ein Pfleger der Grazer Psychiatrischen Klinik einen ans Bett fixierten Patienten - Von Walter Müller

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Graz – Kriminaloberst Alois Eberhart denkt lange nach: "Ein schwieriger Fall, sehr schwierig." Ermittlungen in der Psychiatrie gehören für seine Truppe nicht gerade zum Alltag. Gut, er verfüge über geschulte Beamte, aber wie soll der mutmaßliche Mörder inmitten einer Gruppe körperlich und vor allem geistig schwerstbehinderter Menschen aufgespürt werden? Was, wenn die Tat in einem psychotischen Schub begangen worden ist, an den sich der Täter gar nicht mehr erinnern kann?

Dienstagabend, Landesnervenklinik Sigmund Freud, Station A, erster Stock. Kurz nach 20 Uhr hört einer der beiden zum Dienst eingeteilten Pflegehelfer lebensbedrohliches Röcheln. Er entdeckt einen im Bett liegenden Patienten heftig um Luft ringen. Aus dem Mund ragt eine halbe Semmel. Die Entfernung des Gebäcks ändert aber nichts an der Atemnot.

Dose Leberaufstrich im rachen

Der Pfleger holt das Rettungsteam des Krankenhauses zu Hilfe. Der Stationsarzt legt sofort den Rachenraum frei und entdeckt etwas tiefer im Rachen noch eine kleine Dose Leberaufstrich. Mithilfe des Notarztes versuchen die Mediziner den Patienten zu reanimieren. Vergeblich. Alle Wiederbelebungsversuche bleiben ohne Wirkung. Der 48 Jahre alte Patient, der seit seiner Kindheit wegen einer Gehirnhautentzündung auf intensive Pflege angewiesen ist, stirbt eine halbe Stunde, nachdem er vom Pflegehelfer gefunden worden war.

Pfleger bedurfte psychologischer Betreuung

Es war rasch klar: Selbst konnte sich der Patient die Semmel und die Dose nicht in den Mund gesteckt haben. Er war in seinem Krankenbett an Armen und Beinen durch eine sogenannte "Fünfpunktfixierung" festgeschnallt, wegen "der Gefahr der Selbstverletzung", wie später Betriebsdirektor Bernhard Haas im Standard-Gespräch erklärte. Der Patient habe vor sich selbst geschützt werden müssen, da "wegen unkoordinierter Bewegungen akute Gefahr für Verletzungen" bestanden habe. Nur drei, vier Minuten sei er ohne Aufsicht gewesen, sagte Haas. Die Pfleger, die nach dem schwerwiegenden Vorfall selbst psychologischer Betreuung bedurften, seien mit "allgemeinen Stationsarbeiten" beschäftigt gewesen. Was Patientenanwalt Michael Scherf umgehend zur Forderung veranlasste, dass fixierte Patienten eben "rund um die Uhr bewacht werden müssen".

Gerüchte über Motive

Über etwaige Motive des Täters kursierten in der von Parks umgebenen, weitläufigen Klinik am Grazer Wagner-Jauregg-Platz 1 rasch Gerüchte. Einer der Patienten habe sich "gestört" gefühlt. Für Oberst Eberhard war schon nach ersten Ermittlungen zumindest eines "relativ klar": Der Täterkreis kann auf die Mitpatienten eingegrenzt werden. (Walter Müller/ DER STANDARD Printausgabe 12.6.2008)