So beschreiben EU-Kommissare derzeit die Stimmung im Brüsseler Machtzentrum. Offiziell wird am Ja der Iren natürlich nicht gezweifelt und jeder Gedanke an einen „Plan B“ verworfen, ein Plan für den Fall, dass die Antwort der knapp drei Millionen Stimmberechtigten doch Nein lauten sollte. Doch in den Schubladen der Strategen liegen bereits verschiedene Antworten.
Nach dem doppelten Nein aus Frankreich und den Niederlanden sei der Reformvertrag eigentlich schon Plan B, und wenn der nun auch abgelehnt werde, könne man nicht mehr so weitermachen wie bisher. „Nizza Reloaded“ würde aus vielen Menschen, die der EU bisher neutral bis positiv gegenüberstanden, EU-Gegner machen. Darüber hinaus gibt es kaum einen irischen Spitzenpolitiker, der nicht eine zweite Abstimmung nachdrücklich ausgeschlossen hätte.
Diese Spielart eines Nein läuft auf ein Europa der zwei Geschwindigkeiten hinaus: Länder, die in einer Kern-EU eine größere Integrationstiefe anstreben, und Länder, die vielleicht mit einer Handelsunion zufrieden sind. Diese Möglichkeit ließe auch Großbritannien die Türe für eine Volksabstimmung und das dann zu erwartende Nein offen: Es gilt in Brüssel als offenes Geheimnis, dass die Regierung in London bei einem irischen Nein schon aus Überlebensgründen auch eine Abstimmung ansetzen müsste.
Frankreich und Deutschland würden wohl den Kern einer „neuen EU“ bilden, und daneben gäbe es verschiedene Stufen der Integration. Der Nachteil dieser Lösung: Langer Stillstand und endlose interne Diskussionen würden die EU lähmen, während sich die Welt draußen weiterdreht. Welchen dieser Wege die EU bei einem Nein einschlägt, ist unklar. Klar ist nur, wie die erste Reaktion aussehen wird: „Begrenzte Betroffenheit“ nennt das ein internes Kommissionspapier. (Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 12.6.2008)