Eigentlich ist es eine ziemlich bizarre Veranstaltung: Die gesamte Europäische Union schaut heute, Donnerstag, gebannt auf Irland, wo 3,1 Millionen stimmberechtigte Bürger über das Schicksal von knapp 500 Millionen Menschen in Europa entscheiden. Lehnen sie ab, ist der hart umkämpfte Reformvertrag als künftiger Rahmen für die gesamte Union gestorben. Stimmen sie zu, kann Brüssel nach Jahren der inneren Lähmung zur Tagesordnung übergehen. Ist das demokratisch? Es ist jedenfalls nicht demokratischer als die Ratifizierung des Vertragswerkes durch die gewählten Parlamente der Mitgliedsstaaten.

Dass den Iren - wie in der Abstimmung über den Vorläufervertrag von Nizza - wieder eine derart zentrale Rolle im europäischen Einigungsprozess zukommt, ist beinahe Ironie. 2001 sagten sie zunächst Nein zu Nizza, ein Jahr später stimmten sie zu. Nach heutigen Maßstäben ist eine solche Besinnung wohl nicht mehr möglich. Es gibt nur eine Chance für den Reformvertrag. Und das ist auch gut so.

Scheitert das Projekt, ist endgültig erwiesen, dass eine wirkliche Integration - wie bei Schengen oder dem Euro - nur mit einigen Staaten Kerneuropas zu machen ist. Andere, wie etwa Großbritannien, Polen oder Tschechien, könnten ein schlagkräftiges Europa dann nicht mehr behindern.

Und die Iren? Für sie stellt sich die Situation umgekehrt dar wie für Dustin, den singenden irischen Truthahn, der unlängst mangels Zustimmung aus anderen europäischen Staaten das Finale zum Song Contest verpasst hat. In diesem Fall haben sie es selber in der Hand, ob sie im europäischen Finale dabei sind oder eben nicht. (Christoph Prantner/DER STANDARD Printausgabe, 12. Juni 2008)