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Es gibt auch gelb- und cremeweißblühende Varianten.

Kroatien verfügt nicht nur über eine gutgewachsene Fußballnationalmannschaft, sondern auch über eine ganz außergewöhnliche Vegetation. Die ist es wert, gerade jetzt vor der Sommerhitze, also im Stadium größtmöglicher Üppigkeit, genau studiert zu werden.

Unlängst verschlug es Ihr Grünzeug aus arbeitstechnischen Gründen auf eine der zahlreichen Inseln dieses schönen Landes, und angesichts der dort wuchernden Pflanzenwelt litt die Konzentration. Denn alles war von blühenden, duftenden Ginsterhecken bedeckt, dazwischen wuchsen die reizendsten Kräuter und Blumen, und in den Terrassengärten konnte man im Duft der Mandarinenbäume schier die Pflicht vergessen.

"Wir kommen zu spät zum Meeting", meckerte der Kollege, dem die ewigen Abstecher in Gärten und hinter Zäune langsam auf die Nerven gingen. "Wurscht. Das hier ist einzigartig, Meetings gibt es sonder Zahl und immer wieder, und dort drüben leuchtet ein besonderes Rosa. Ein klitzekleiner Umweg noch - und dann zur Arbeit."

Knallrosa Blüten

Besagtes Rosa erwies sich als botanisches Wunder: Über eine an sich schon bemerkenswerte Steinmauer - denn gute Steinmauern zu schichten ist eine große, in Kroatien offensichtlich außerordentlich gut beherrschte Kunst - hing der gut vier Meter lange Vorhang einer fleischig-blättrigen Pflanze, die quasi flächendeckend mit knallrosa Blüten übersät war.

Wäre man eine Hummel oder Biene, so täte man exakt hier den Blick ins Paradies. Diese Blüten muss man sich kaffeeuntertassengroß vorstellen und mit verschwenderisch vielen feinen, länglichen Blütenblättern pinselartig umkränzt. Jedenfalls als etwas, das auch jeder, der kein Insekt ist, aber einen Garten pflegt, ganz unbedingt sein Eigen nennen will - ja nachgerade haben muss. Egal wie.

Nachdem ein kleines Ästchen dieses Gewächses, schnipp, in den Aktenkoffer gewandert war - seine Entnahme entsprach angesichts der vorhandenen Pflanzenmasse ohnehin lediglich dem Raub einer Ähre im Kornfeld, wandte sich der Kollege peinlich berührt ab. Dafür konnte jetzt endlich das Meeting beginnen. Köstliche Früchte Mittlerweile treibt das Export-Import-Ästchen schon wieder aus. Es wurde in ein sandiges Erdgemisch gebettet, an einen Sonnenplatz gestellt und zeigt erfreuliche Vitalität. Die Pflanze ist als eine der vielen "Mittagsblumen" bekannt, wobei diese Bezeichnung eine Art Kraut-und-Rüben-Titel ist, weil er über diverse fleischige Blüher gestülpt wird. Sicherer erscheint die botanische Bezeichnung Carpobrotus, in diesem Fall wahrscheinlich mit dem Zusatz acinaciformis, denn es gibt auch gelb- und cremeweißblühende Varianten. Die Blüten öffnen sich nicht erst zu Mittag, sondern mit den ersten Sonnenstrahlen. Natürlich ist die Pflanze, die ursprünglich aus dem südlichen Afrika stammt, nicht winterhart, sie sollte aber in Innenräumen bei kühleren Temperaturen und ohne zu viel Wassergabe überwinterbar sein wie die Kakteen. Man wird sehen. Angeblich kann man auch hierzulande, wenn der Sommer das hält, was er die längste Zeit heuer schon versprochen hat, Früchte ernten. Die sollen sehr köstlich sein und sich besonders zum Marmelademachen eignen. Nun denn, vielleicht wird hier gerade eine Milchmädchenrechnung angestellt, denn ein Ästchen macht noch lange keinen Marmeladetopf, aber man wird ja noch ein bisschen träumen dürfen. (Ute Woltron/Der Standard/rondo/12/06/2008)