Graz - Die Gewalttat in der Grazer Nervenklinik Sigmund Freud hat sich nach ihrer Aufklärung am Donnerstag als Tötungsdelikt oder gar als tragischer Unglücksfall entpuppt: Ein 69-jähriger Mitpatient wollte den 48-jährigen fixierten Pflegling füttern, weil dieser Hunger hatte. Dabei habe er ihm wohl zu viel "hineingestopft", rechtfertigte sich der psychisch Kranke bei seiner Einvernahme. Von der kleinen Leberaufstrichdose, die unter einer halben Semmel im Rachen des Sterbenden gefunden worden war, wollte der Mann nichts wissen.

Keine Tötungsabsicht

Der 69-jährige Pflegling gab laut Polizei zu, dass er seinen 48-jährigen Zimmerkollegen auf dessen Wunsch mit einer Semmel gefüttert habe. Eine Tötungsabsicht bestritt er ebenso wie den Umstand, dass er dem hilflosen Opfer die Leberaufstrichdose in den Mund geschoben hat. Die Kriminalisten gehen dennoch davon aus, dass er diese dem Opfer bewusst oder unbewusst hineingestopft hat.

Schwere Einvernahmen

Die Einvernahmen hätten sich sehr schwierig gestaltet, berichtete Ermittlungsleiter Oberst Alois Eberhart. Der mutmaßliche Täter sei psychisch schwer krank, darum habe man die Befragungen öfters unterbrechen müssen. Phasenweise habe der Mann wirr gesprochen. Dennoch habe er letztlich glaubhaft den Hergang geschildert und gezeigt. "Seine Schilderung, Zeugenaussagen und die Faktenlage passen zusammen", so Eberhart.

Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Graz bleibt der 69-Jährige in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung des Landesnervenkrankenhauses.

Keine Anklage

In den seltensten Fällen, in denen der Beschuldigte als unzurechnungsfähig eingestuft wird, komme es zu einer Anklage, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Manfred Kammerer. Es werde nur von der Staatsanwaltschaft ein Antrag auf Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gestellt. Diese habe aber im konkreten Fall keine Auswirkungen auf die Unterbringung und würde nur im Zusammenhang mit einer möglichen Entlassung eine Rolle spielen. (APA)