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Das Parlament wird bei der Öffnung des Arbeitsmarktes nichts mitzureden haben. Der Wirtschaftsminister entscheidet im Verordnungsweg, will aber Hilfskräfte schonen.

Foto: Reuters/Neubauer
Wien/Bern – Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (VP) rückt von seinem Plan ab, osteuropäische Hilfskräfte ab 2010 ins Land zu lassen. Er will nun für unqualifizierte Arbeitnehmer die bis Mai 2011 laufende Übergangsfrist in Anspruch nehmen. Der Minister begründete den Schwenk im Gespräch mit dem Standard mit dem Konsens, den er mit Gewerkschaft und Koalitionspartner suche. Auch bei Fachkräften könnte die komplette Öffnung verschoben werden, wenn sich der Arbeitsmarkt nicht weiter positiv entwickeln sollte. Vorerst kommt es aber zur weiteren Freigabe von rund einem Dutzend Berufen, die Bartenstein in den nächsten Tagen verordnen will. Das Schweizer Bundesparlament hat am Donnerstag die Verlängerung des freien Personenverkehrs mit der EU und dessen Ausweitung auf Rumänien und Bulgarien beschlossen. Letztere ist jedoch innenpolitisch umstritten.

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Die Bedenken der Gewerkschaft gegen eine allzu rasche Öffnung des Arbeitsmarktes für Hilfskräfte scheinen bei Wirtschaftsminister Martin Bartenstein Eindruck zu machen. Im Gespräch mit dem Standard verabschiedet sich der VP-Mann nun vom Aufgehen der Grenzbalken bis 2010. Ursprünglich wollte der Minister bis zu diesem Zeitpunkt auch osteuropäische Hilfskräfte hereinlassen. "Ich suche in dieser Frage den Konsens mit dem Koalitionspartner und den Gewerkschaften", begründet Bartenstein sein Umdenken.

Sensibler Bereich

Der Bereich der niedrig Qualifizierten gilt als besonders sensibel, weil hier die höchste Arbeitslosigkeit herrscht. Während beispielsweise im Mai nur 1,7 Prozent der Akademiker einen Job suchten, waren es 12,7 Prozent der Personen ohne Berufsausbildung. In absoluten Zahlen haben 87.000 der Ende Mai 184.810 Jobsuchenden nur einen Pflichtschulabschluss. Der Sozialexperte des Gewerkschaftsbunds, Bernhard Achitz, plädiert deshalb dafür, die Übergangszeit bis zur Öffnung für die Qualifizierung der Hilfskräfte zu nützen und eine Konkurrenzierung durch billigere Ost-Kräfte zu verhindern. Im Mai 2011 ist dann jedenfalls Schluss mit der Abschottung, wahrscheinlich wird die EU-Kommission schon vorher gegen die Schutzklauseln vorgehen. Denn ab Mai 2009 sind diese laut EU-Vertrag nur gerechtfertigt, wenn es anderenfalls zu Störungen am Arbeitsmarkt kommen würde. Österreich muss diese Gefahr in Brüssel begründen, was schwierig werden dürfte. Bartenstein meint dagegen, dass er mit Sozialkommissar Vladimir Spidla in gutem Einvernehmen sei. Am 6. Oktober will er Spidla zu einem Sozialpartnergipfel einladen, bei dem über die Übergangsfristen diskutiert werden soll.

Kritik der Industrie

Der Minister sieht seine Position auch deshalb abgesichert, weil Österreich den Arbeitsmarkt rascher öffne als Deutschland. Kritik kommt von der Industriellenvereinigung, die für eine komplette Öffnung plädiert. Ein Sprecher meinte, es gebe "keine Bedenken", die eine Ausnahme von Hilfskräften rechtfertigten.

Allerdings scheint nun auch die komplette Job-Freigabe für Fachkräfte und Akademiker aus den neuen Mitgliedsstaaten nicht mehr ganz sicher zu sein. Bartenstein: "Wenn der Arbeitsmarkt weiter so rennt wie bisher, bleibe ich bei der Öffnung. Wenn es zu Verschlechterungen kommt, muss man sich das anschauen." Die Sozialpartner haben dazu vereinbart, dass die Schleusen nur in Berufen aufgemacht werden, wo auf einen Arbeitslosen mehr als 1,5 offene Jobs kommen. Das trifft auf jenes Dutzend Bereiche zu, die Bartenstein "in den nächsten Tagen" per Verordnung freigeben will.

Dazu zählen Berufe im Metall- und Baubereich. Er betonte, dass die Ausbildung Jugendlicher und die Qualifizierung Erwachsener Vorrang vor der Anstellung ausländischer Fachkräfte habe. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.6.2008)