Mulier taceat in ecclesia, die Frau schweige in der Volksversammlung, – nach diesem Grundsatz wurde Frauen jahrtausendelang die Beteiligung an Entscheidungen verweigert. Eine Bastion, in der dieses Prinzip teilweise hartnäckig weiterlebt, ist die österreichische Universitätslandschaft. Deswegen soll in der anstehenden Novelle zum Universitätsgesetz ein Frauenanteil von 40 Prozent für alle universitären Gremien vorgeschrieben werden. Gegen diese Idee trat Christian Fleck (der Standard, 3. 6.) auf. Für ihn sind derartige Überlegungen unnötig und praktisch nicht umsetzbar. Sein Hinweis, dass die Quote Karrieren von Jungwissenschafterinnen sogar schaden würde, ist eine überraschende Neuentdeckung in dieser Diskussion.Die Gleichstellung der Geschlechter ist schon jetzt erklärtes Ziel des Universitätsgesetzes. Es schreibt vor, "dass in allen universitären Arbeitsbereichen ein ausgewogenes Zahlenverhältnis zwischen den an der Universität tätigen Frauen und Männern" zu erreichen ist (§ 41 Universitätsgesetz). Die Novelle konkretisiert die bisher unterschiedlich umgesetzte Regelung: Ab dann wäre ein Gremium nur bei einem zumindest 40-prozentigen Frauenanteil ausgewogen besetzt. Universitäten können sich nunmehr nicht auf altbekannte Muster ("Wir wollen ja Frauen, aber finden halt keine") zurückziehen, sondern müssen aktiv nach Frauen suchen, oder sie riskieren, dass ihre Organe nicht entscheidungsbefugt sind. Hindernisse beseitigen Universitätskarrieren von Frauen sind oft dornenvoll. Von Karrierestufe zu Karrierestufe sinkt der Frauenanteil. Für die Universität Wien heißt das zum Beispiel, dass mehr als 60 Prozent der AbsolventInnen weiblich sind, aber nur knappe 15 der ProfessorInnen. Damit der Gender-Gap verschwindet ist inneruniversitär grundlegendes Umdenken gefragt. Es ist nicht Sache der Frauen zu verhindern, dass man(n) sie diskriminiert: Karrierehindernisse für Frauen müssen von den zuständigen Organen identifiziert und aktiv beseitigt werden. Christian Fleck sieht die Quote nicht als Gegenstrategie, sondern als unheilbringende "Fehlallokation von Nachwuchswissenschafterinnen". Seiner Meinung nach sollen junge Wissenschafterinnen besser forschen, als sich die Köpfe über die Zukunft der Universität zu zerbrechen, die den Mittelpunkt ihres beruflichen Lebens bildet. Das Gegenteil ist der Fall: Die Quote ist die einzige Chance, Frauen ausgewogen an universitären Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Wenn sich die Teilnahme von Frauen an der Selbstverwaltung am mageren Anteil der Professorinnen zu orientieren hätte, würde die Männerdominanz noch Jahrzehnte überdauern. Mit der Realität der Universität und ihren vorwiegend weiblichen Studierenden und den zahlreichen vielversprechenden Frauen, die am Anfang akademischer Karrieren stehen, haben derartige Gremien allerdings nichts mehr zu tun. Ohne "Alibifrauen" Überprüfen wir nun die Gegenargumente Christian Flecks anhand von Österreichs größter Universität, der Universität Wien: Er hält einen 40-prozentigen Frauenanteil im Senat aufgrund des nur 15-prozentigen Professorinnenanteils für unmöglich. Rechnen wir nach: Dem Senat gehören gegenwärtig 10 ProfessorInnen (3 Frauen) und zwei Mittelbauvertreter (männlich) an. Wir suchen sage und schreibe jeweils eine weitere Frau aus jeder Gruppe. Wie steht es um das Argument, dass eine Quote die Laufbahn von Jungwissenschafterinnen gefährden würde? Möchte man in Berufungs- und Habilitationskommissionen im Bereich des Mittelbaus eine 40-prozentige Frauenquote erreichen, muss an jeder Kommission eine Jungwissenschafterin mitwirken. Auch das kein Ding der Unmöglichkeit. Vor Gremialarbeit neben der Forschung rät Christian Fleck Frauen allerdings ab. Zu ihrem eigenen Besten. Ritterlicher Schutz für (überforderte?) Frauen? Eine Doppelbelastung, die ausnahmsweise Männern trifft? Oder sind wir wieder beim mittelalterlichen "mulier taceat in ecclesia"? Warum sollten Frauen sich nicht darum kümmern, wie Entscheidungen an der Universität fallen? Weibliche Karrieren an Universitäten sind beschwerlicher als männliche und enden eher, Frauen sind in Spitzenpositionen noch immer selten. Das liegt aber nicht daran, dass sich Frauen in Kommissionen verzetteln, eher am Gegenteil. Entscheidungen an Universitäten über Qualifikation (Habilitation, Berufung), über universitätspolitische Fragen (Senat, Berufungskommissionen) treffen Organe, die Frauen nicht in ausreichendem Maße zugänglich sind. Die als "Alibifrau" übliche junge Assistentin, die einer Phalanx von Professoren gegenübersitzt, hebt das Ungleichgewicht nicht auf. Es geht nicht darum, Frauen davor zu beschützen, an unseren Universitäten Entscheidungen zu treffen, sondern darum, ihnen die ausreichende Gelegenheit dazu zu geben. Die Hand, die Christian Fleck wohlmeinend patriarchal über Nachwuchswissenschafterinnen hält, unterstützt diese nicht, sondern würde sie weiterhin stillhalten. Beistand brauchen Frauen zur Bewältigung systemimmanenter Hürden: z. B. die zur lieben Tradition gewordenen Abendseminare, in deren Anschluss man(n) mit den ausländischen Gästen wichtige Kontakte knüpft, frau aus den bekannten Gründen nicht – oder die nie gestellte Frage, wie der alleinerziehenden Wissenschafterin Kongressteilnahmen ermöglicht werden könnten. Wenn Frauen adäquat mitentscheiden, würden diese Hindernisse für Frauen an Österreichs Universitäten eher gesehen und vielleicht sogar beseitigt – in nächster Zeit und nicht erst 2050. Profitieren würden nicht nur die Frauen, sondern die Universitäten als Ganzes, die im Wettbewerb um die besten Köpfe nicht riskieren sollten, dass sich hochqualifizierte Frauen im Kampf gegen überkommene Strukturen aufreiben oder diesen gar verlieren. (Richard Gamauf/DER STANDARD, Printausgabe, 13. Juni 2008)