Glühbirnen und Öl, Medienkunst aus dem Müllcontainer, ein Tal R. aus der Sammlung Essl: Untitled (House of Prince), 2004.

Foto: Contemporary Fine Arts, Berlin

Klosterneuburg – Tal R. kommt aus Israel, lebt in Kopenhagen und unterrichtet in Düsseldorf. Seine Berliner Galerie heißt Contemporary Fine Arts und vertritt auch Jonathan Meese. Meese nannte seine Soloshow im September 2007 beim Klosterneuburger Sammler Karlheinz Essl "Fräulein Atlantis". Weil, so Meese damals klärend: "Fräulein Atlantis ist eine Raketenabschussplattform der Totalkunst. Diese Rakete wird mit dem Erzöl 'Demut' betrieben, und der Boden der Zukunft wird rattenscharf klargemacht."

Soweit so schick und lustig unklar, und genauso weiter: "Man spielt im Sandkasten der Kunst mit irgendwelchen Sachen rum. Man lässt die liegen oder schmeißt die von sich. Und dann kommt der Sammler und nimmt das, was da rumliegt, mit. Im Grunde beachtet man den, wie er da am Rand der Sandkiste steht, gar nicht. So eine Bronzeskulptur von mir, die passiert einfach, die stellt sich beim Spielen selbst her. Dann platziert man die irgendwo, und schwupp, da kommt einer und nimmt sie. Das kann ein Sammler sein, eine Mutter, ein Freund. Es kann auch die Natur sein, die einfach zugreift. Viele Skulpturen wurden vom Wüstensand mitgenommen."

Tal R.'s Sandkasten ist der "Kolbojnik", ein in den Kibbuzim für den gemeinsamen Abfalleimer verwendetes jiddisches Wort, das aber auch mit "Schlaumeier" übersetzt werden kann. Jedenfalls finden sich in den Abfalleimern, egal ob in Israel, Kopenhagen, Berlin oder Düsseldorf, immer auch angegammelte Gemüse, gemein weggelegtes Obst, abgetretene Schuhe, Sperr- und Kleinmüll.

Und daraus lassen sich, so zeigt das zwanzigste Jahrhundert vorbildsvoll, Skulpturen bauen. Die Bronze, in die diese absurden Objektassemblagen dann gegossen werden, ist nicht nur geruchsneutral, sondern auch wertsteigernd. Und alles zusammen gemahnt einfach ans Nachdenken über – über eigentlich alles. Und genau darüber muss auch immer wieder neu nachgedacht werden, sonst wären ja die Vorbilder plötzlich allesamt Heilige. Und außerdem ist der Fortschritt der Zivilisation ja bekanntlich im Mistkübel am besten abzulesen.

Dort finden sich ja nicht bloß entsorgte Zwiebel und aus der Achtung entlassene Erdbeeren, dort finden sich auch Comics und zerfledderte Magazine und bunte Kronkorken und ihrem eigenen Update zum Opfer gefallene PC-Spiele und Videos.

Und weitergedacht spielt sich das Leben in eben diesem Müll ab, und also ist es schon angebracht, kurz innezuhalten, ein paar Versatzstücke daraus vermittels Gusstechnik vor dem Verrotten zu retten. Und anstatt Bronze kann man auch Farbe dazu verwenden, im Einzelfall der Vergänglichkeit ein Schnippchen zu schlagen. Tal R. macht das, collagiert sich zwei- wie dreidimensional durch den Schrott, spielt an und verweist, wer weiß wohin.

Zu Klosterneuburg präsentiert er die gleich 191-teilige Werkserie "House of Prince" nebst den im Guss verewigten Fruits. Und natürlich auch ein Buch zum Tragen der schweren Verweislast. (Markus Mittringer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.6.2008)