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So einen schrägen Vogel gab es unter den Gegnern von europäischen Verträgen in Irland noch nie. Früher waren die links, pazifistisch oder erzkatholisch. Der Unternehmer Declan Ganley (39) passt in keine dieser Schablonen. Belustigt gibt er sich als bisheriger Anhänger der irischen Staatspartei Fianna Fáil zu erkennen, der bisher noch bei jedem irischen EU-Referendum ein "Ja" in die Urne gelegt habe. Das war diesmal, beim EU-Reformvertrag, das am Donnerstag abgehalten wurde, anders. Ganley hat das Vertragsgegner-Institut "Libertas" gegründet, das in seinem Herrenhaus in Tuam im irischen Westen beheimatet ist. Das Budget für seine professionelle und wirkungsvolle Kampagne betrug nach eigenen Angaben 1,3 Mio. Euro - mehr als alle Befürworter zusammen ausgaben.

Der schlanke, großgewachsene und beredte Wirtschaftskapitän ist reich. Das beweisen sein Haus, seine Autos und sein Helikopter. Aber die Quellen seines Wohlstandes liegen im Dunkeln. Der britische Independent nannte ihn deshalb den "mysteriösen Mr. No". Ganleys Akzent verrät, dass er als Sohn irischer Eltern in London geboren wurde. Als er 13 war, zog die Familie nach Irland, aber der Bub hielt es nicht lange aus. Noch vor der Matura kehrte er auf die Baustellen Londons zurück, später heuerte er bei einer Versicherung an. Nach dem Kollaps der UdSSR regte sich seine Spielernatur. Sibirische Wälder, lettischer Holz- und Metallhandel legten den Grundstein. Ganley fängt immer wieder Neues an, verkauft die Erfolge und schreibt die Pleiten ab. Im Moment betreibt er die Firma Rivada, die Kommunikationssysteme für Katastrophenfälle anbietet, unter anderem der US-Armee.

Ganley argumentiert gegen das demokratische Defizit in der EU, gegen den zeitweiligen Verlust des irischen Kommissars und befürchtet, dass der irische Spielraum bei der Köderung ausländischer Investoren eingeschränkt wird. Das sind sachliche, wenn auch übertriebene Argumente. Es stimmt zwar, dass "Libertas" auch rabiate Abtreibungsgegner anzog, aber dieses Thema wurde von Ganley selbst kaum angesprochen.

Im Vertrauen gestand er unlängst, er werde aus seinen Reihen ermutigt, Emotionen gegen osteuropäische Gastarbeiter zu schüren - aber da habe er sich geweigert, obwohl er wisse, dass ihm das zusätzliche Punkte eingebracht hätte. Für das politische Establishment Irlands jedenfalls stellen der Unternehmer und seine Kampagne eine völlige neue Herausforderung dar. (Martin Alioth/DER STANDARD, Printausgabe, 13.6.2008)