Effektvoll

"Eye Candy" werden im Computerbereich gemeinhin grafische Effekte genannt, die rein oberflächlich betrachtet zunächst einmal einen geringen Nutzen für die Funktionalität einer Software haben. Statt dessen sollen sie "nur" gefallen, etwas das bei der Wahl für oder gegen das eine oder andere Programm bei vielen BenutzerInnen allerdings eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Immerhin sind die grafischen Reize - ganz im Gegensatz zu technischen Implementationsdetails - eine Ebene, die sich auch technisch sonst eher unbedarften Computer-NutzerInnen recht direkt erschließt.

Candy

Ob solcherlei optische Süßigkeiten einen Desktop besser oder schlechter machen, darüber scheiden sich freilich die Geister. Während so manche Linux-BenutzerInnen Compiz und Co. für reine Zeitverschwendung halten, verbringen andere einen veritablen Teil ihrer Zeit damit, nach immer neuen Effekten, Themes und Zusatzprogrammen zu suchen.

Marketing

Eines ist jedenfalls sicher: Der Marketing-Effekt eine "hübschen" Looks und von spektakulären Tricks sollte nicht unterschätzt werden. Wer das nicht glaubt, sollte mal ein iPhone nehmen und Nicht-Technik-affinen BenutzerInnen in die Hand drücken. Dem Wow-Effekt folgt oft der - nicht sonderlich rationale - "Haben-wollen"-Impuls. Dass auch Linux-BenutzerInnen davor nicht gefeit sind, lässt sich ganz gut an digg.com ablesen: Beiträge über neue Desktop-Effekte finden sich dort regelmäßig unter den meist gelesenen auf der Social-News-Seite.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Compiz

Eine Art Gravitationszentrum der Linux-Äußerlichkeiten bildet dabei noch immer der Compositing / Window Manager Compiz. Einst von Novell rund um den - kaum mehr verwendeten - Grafikserver Xgl entwickelt, hat sich um die Software mittlerweile eine rech lebendige Community geschart.

Vorgeschichte

Die anfänglichen Streitereien, Spaltungen (Beryl) und Wiedervereinigungen (im Compiz-Fusion-Projekt) hat man nun auch schon eine zeitlang hinter sich gelassen, insofern kann man sich ganz auf die Weiterentwicklung der Software selbst konzentrieren. Aktuell ist derzeit die Version 0.7.6 von Compiz (Fusion), seit unserem letzten Blick auf die Software - in Prä-0.6.0-Zeiten - hat sich hier wieder eine Menge getan.

Umschreiben

Im vergangenen Jahr wurde der Kern der Software stetig weiter optimiert, vor allem in Bezug auf eine Optimierung der Performance und einen besseren Umgang mit mehreren Monitoren / Ausgabegeräten. Das Gros der wirklich sichtbaren Änderungen spielt sich aber anderswo ab: Bei den Plugins, die einzelne Effekte bereitstellen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

(Ex-)Cube

So hat auch DER klassische Compiz-Effekt schlechthin - der Cube - mittlerweile eine veritable Transformation durchgemacht. Ein Umbau, der nichts weniger als die namensgebende Form hinter sich lässt: In aktuellen Versionen der Software können die einzelnen Desktops nämlich nicht nur auf einen Würfel sondern auch auf einen Zylinder (siehe erstes Bild) oder auf eine Sphäre projiziert werden.

Kombi

Wer dies mit dem mittlerweile ebenfalls integrierten 3D-Plugin, das die Fenster vom Desktop "abhebt", und einem brauchbaren Transparenzwert kombiniert, kann so einen recht effektreichen Blick auf die eigene Desktop-Welt erheischen. Auch die - frei wählbaren - Grafiken auf der Ober- und Unterseite werden mittlerweile korrekt transformiert.

Blubb

Für die ganz verspielten Naturen darf dann mit dem Atlantis2-Plugin auch noch ein Aquarium im Inneren einer solchen Desktop-Hülle platziert werden. Fische, Pflanzen und virtuelle Sauerstoffversorgung natürlich inklusive.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Task

Schon von Anfang an sind rund um Compiz unterschiedlichste Methoden zur Visualisierung des Wechsels zwischen den geöffneten Fenstern entstanden. Sei es der "normale" Alt+Tab-Switcher mit Miniaturansicht der Fenster in einer Art Filmstreifen oder der Expose-ähnliche Scale-Modus, bei dem alle Fenster so verkleinert werden, dass sie nebeneinander Platz finden.

Flip und Switch

Zwei äußerst attraktive Lösungen der entsprechenden Aufgabe bietet der "Shift"-Switcher. Da wäre einmal der Flip-Modus, der sich recht offensichtlich an der Task-Übersicht von Windows Vista orientiert, wie im oben stehenden Bild zu erkennen ist. Und damit auch wirklich alle "das ist aber geklaut" schreien können, gibt es alternativ die "Cover"-Ansicht, die Apples Cover-Flow-Effekt zum Window Management benutzt.

Statisch

Wem das alles zu viel Bewegung ist, der kann seit kurzem den "Static Window Switcher" einsetzen, der im Vergleich zum "normalen" Alt+tab-Effekt von Compiz noch mal reduziert wurde. Hier werden einfach alle offenen Fenster als Miniaturen nebeneinander angezeigt, ganz ohne Animationen und anderes Brimborium. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, darf noch mal zu Bild 2 zurück klicken, dort ist nämlich eben jener abgebildet.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Freewins

Weniger von fremden Betriebssystem-Welten sondern von einer anderen Open-Source-Lösung inspiriert, zeigt sich "Freewins". Damit lassen sich - ähnlich wie bei dem von Mandriva einst ausgelieferten "Metisse" - Fenster nach Belieben manipulieren.

Drehung

Konkret bedeutet dies, dass nicht nur eine Rotation um alle Achsen möglich ist, sondern auch die Größe nach Belieben skaliert werden kann. Die Fenster sollen dabei weiter benutzbar bleiben, im Test funktionierte dies aber eher unzuverlässig. Dafür lässt sich auf Wunsch eine Achse zur besseren Orientierung einblenden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Anaglyph

Mindestens so beeindruckend wie für den Alltags-Einsatz wohl eher wenig geeignet ist das Anaglyph-Plugin: Immerhin verspricht es einen "echtes" 3D-Feeling, dies jedoch nicht ganz ohne Hilfsmittel.

Speziell

Manche werden das noch von frühen Fernseh-Experimenten mit räumlicher Wahrnehmung kennen: Mit einer Spezialbrille entsteht durch eine leichte Verschiebung von rot und cyan-Werten ein dreidimensionaler Effekt.

Physik

Noch in den Kinderschuhen steckt das Physik-Plugin "Newton". Derzeit kann man damit "nur" Miniaturansichten der gerade geöffnet Fenstern aneinander knallen lassen, in Zukunft sollen damit aber Compiz allgemein diverse physische Effekte (Reibung, Gravitation, Anziehung und vieles mehr) zur Verfügung stehen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Geister

Ein ebenfalls noch ziemlich neues Plugin ist Ghost. Damit lassen sich Fenster in spezielle Situationen kurzfristig für Klicks "durchlässig machen". So kann dann etwa beim Betrachten eines Videos diese per Shortcut zum Geist erklärt werden.

Durchgängig

Dadurch wird es nicht nur semitransparent, sondern ermöglicht auch das Benutzen des dahinter liegenden Fensters. Richtig sinnvoll ist das natürlich nur bei Fenstern, die auf "Always on top" gestellt sind (sonst würde beim ersten Klick das hinten liegende Fenster nach vorne geholt)

Ausschnitte

Erwähnt sei noch, dass die besprochenen Effekte nur einen kleinen Ausschnitt der Neuerungen, die wöchentlich rund um Compiz entstehen, darstellt. Insofern lohnt auch ein gelegentlicher Blick auf die Compiz Fusion Community News.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Do!

Doch auch jenseits der Desktop-Effekte von Compiz tut sich einiges: Wie sich gutes Aussehen mit äußerst mächtiger Funktionalität verbinden lässt, demonstriert GNOME Do. Ursprünglich von einem Studenten als Seminararbeit ins Leben gerufen hat der Quicksilver-Klon zwischenzeitlich eine flott wachsende AnhängerInnenschar um sich versammelt.

Kombination

Die Kernfunktionalität bildet dabei die Aufgabe als schneller Anwendungsstarter, einfach nach dem Aufruf von GNOME Do (von Haus aus Windows/Super-Taste + Space) den Namen eintippen, der Abgleich funktioniert "live", also noch während dem Schreiben. So reichen meistens wenige Buchstaben, um das korrekte Programm aufzuspüren.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Flott

Damit ist das Können von GNOME Do aber noch lange nicht ausgereizt, immerhin lässt sich die Software über Plugins einfach erweitern: So kann dann etwa an dieser Stelle ein Screenshot mit frei wählbarer Zeitverzögerung getätigt werden. Wer sich einmal an die Benutzung gewöhnt hat, wird dies bald wesentlich flotter beherrschen als es durch den Start des normalen Screenshot-Programms möglich wäre.

Nutzung

Weiter konkrete Nutzungsbeispiele für die Verwendung des Tools sind die Aufnahme eines Gesprächs mit einem Skype-Kontakt oder das Eintragen eines Termins am Google Kalender. Selbst Twitter-Nachrichten kann man hier verschicken, auf Wunsch sogar zielgerichtet als Antwort auf andere BenutzerInnen.

Windows

Auch der Upload von Bildern auf Flickr stellt für die Software kein Problem dar. Wer will kann mit GNOME Do - wie im Bild - sogar Fenster auf dem Desktop manipulieren, also anhand des Titels minimieren oder in den Vordergrund bringen - und dies auch von einem anderen virtuellen Desktop aus.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Installation

Neue Plugins lassen sich seit der Version 0.5 über ein eigenes Einstellungsprogramm komfortabel nachladen. Einfach anklicken, der Rest geschieht automatisch. Neben den offiziellen Plugins gibt es dabei auch einen Pool an Community-Erweiterungen, die aber aufgrund ihres experimentellen Status nicht offiziell unterstützt werden.

Lernfähig

Die Software lernt übrigens mit der Zeit aus dem BenutzerInnenverhalten: Wird etwa ein Programm besonders oft gestartet, so wird es in Folge meist schon nach dem Eintippen des ersten Buchstabens angeboten.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Avant Window Navigator

Eher den Windows-Weg gehen die meisten Linux-Distributionen, wenn es um die zentralen Steuerungselemente des Desktops geht. Ein Panel gehören sowohl beim KDE als auch beim GNOME zur Standardausstattung.

Dock

Ein Dock, wie bei Mac OS X, sucht man hingegen - zumindest in der Default-Installation - meist vergeblich. Dem kann natürlich abgeholfen werden: Eines der ambitioniertesten Projekte in diesem Bereich ist der Avant Window Navigator.

Fesch

Schon in optischer Hinsicht steht man dabei dem Apple-Pendant kaum in etwas nach: Die Icons "hüpfen" beim Bewegen des Mauszeigers über sie effektvoll herum, zusätzlich spiegelt sich all dies an der Unterseite des Docks. Wem dies optisch trotzdem noch nicht zusagt, der kann die Anwendung auch mit einem der erhältlichen Themes aufpolieren.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Applets

Das Dock wird von Haus aus mit allen offenen Programmen bevölkert. Zusätzlich können aber auch fixe Anwendungsstarter hinzugefügt werden. Die wahre Stärke von AWN machen aber die zahlreichen verfügbaren Applets aus.

Auswahl

So gibt es nicht nur eine Reihe von unterschiedlichen Startmenüs, sogar eine Minikonsole lässt sich - optisch hübsch aufbereitet - auf die Schnelle einblenden. Diverse Uhren und Wetteranzeigen snd vergleichsweise beinahe schon eine Selbstverständlichkeit.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Steuerung

Ein Shelf-Applet wie bei Mac OS X steht ebenso zur Auswahl wie Steuerelemente für den bevorzugten Media Player. Etwas fortgeschrittener schon die Anzeige der virtuellen Desktops mit Live-Preview der jeweils dort platzierten Fenster.

Beispiele

Besonders nett gelungen das Last.FM-Applet über das Musik von dem Service gestreamt werden kann. Das zugehörige Icon zeigt dann jeweils das Cover zur gerade abgespielten Nummer an. Beim Bittorrent-Client Deluge wird zusätzlich zum Anwendungs-Icon auch gleich die aktuelle Up- und Download-Rate angezeigt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Gadgets

Bei den Google Gadgets bleibt zu hoffen, dass diese ein erster Vorgeschmack der künftigen Linux-Unterstützung durch den Suchmaschinenexperten sind. Denn im konkreten Fall kann diese nur als vorbildlich bezeichnet werden.

Auswahl

Die Anwendung setzt wahlweise auf GTK+ oder QT und ist so in beide große Linux-Desktop-Umgebungen - GNOME und KDE - optimal integriert. Auch die "Notification Area" wird benutzt, zusätzlich ist die Software als Open Source freigegeben und basiert auch sonst auf allerlei freien Desktop-Komponenten.

Widgets

Bei der Funktionalität gibt es ebenfalls wenig zu meckern: Widgets lassen sich über ein Einstellungsprogramm komfortabel hinzufügen oder entfernen, auch ein - wegklappbarer - semitransparenter Sidebar ist mit dabei.

Auswahl

Das Angebot an Mini-Tools für den Desktop wächst dabei stetig, von unvermeidlichen Klassikern wie Batterieanzeige oder Kalender geht dies bis zu regelmäßig aktualisierten Highlights auf Google Earth oder diversen Mini-Spielen. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 15.06.2008)

Screenshot: Andreas Proschofsky