Eine Vision: Wenn Werner Faymann Kanzler und SPÖ-Vorsitzender wird, dann wehen nicht nur, wie jetzt während der EURO, von den Autos und den Straßenbahnen der Wiener Linien die rot-weiß-roten Fahnen mit dem Krone-Logo, sondern von allen öffentlichen Gebäuden der Republik.

Gut, das war jetzt polemisch. Faymann ist ein seriöser Politiker, dem es halt geglückt ist, mit dem Herausgeber der Krone (und mit heute und mit Österreich) ein exzellentes Verhältnis aufzubauen. Aber jemand, der Kanzler werden soll, wird sich überlegen müssen, wie weit die Vernetzung mit mächtigen Medieninteressen gehen darf.

Wenn die SPÖ Gusenbauer umbringen will, muss sie es gleich tun. Sonst ist es zu spät für allfällige Herbstwahlen. Wenn nicht, muss sie ihm die Chance geben, im September gemeinsam mit Molterer eine ausverhandelte Steuersenkung ankündigen zu können. Das ist die letzte Möglichkeit zum Erfolg dieser Regierung.

Aber das wirkliche Problem ist ja nicht Gusenbauer, sondern die österreichische Sozialdemokratie. Faymann sagte im STANDARD-Interview, die Partei habe „den Umstieg in die Regierung nie wirklich geschafft“. Das war natürlich auch Kritik an Gusenbauer, ist gleichzeitig aber auch die realistische Feststellung eines Zustandes.

Die SPÖ kommt mit der modernen (Wirtschafts-)Welt nicht zurande. Die Globalisierung und der „Neoliberalismus“ der letzten Jahre haben an den Masseneinkommen bis tief in den Mittelstand geknabbert, keine Frage. Die Reaktion der Burgstallers, Voves, Erich Haiders, Buchingers, Tumpels, aber auch der Dinkhausers darauf ist „alt-links“: Her mit der Kohle, von irgendwoher, und „soziale Kälte“ lindern. Das muss man auch tun. Aber es ist keine Lösung für die Erhaltung unserer wirtschaftlichen Substanz und Wettbewerbsfähigkeit.

Gusenbauer ist ein Intellektueller. Deren Nachteil ist es, dass sie über die Welt nachdenken. Gusenbauer kam von einer ziemlich linken Analyse und dürfte heute bei einem Verständnis für Marktwirtschaft angelangt sein. Das merkt man, wenn man mit ihm über die Pensionsreform redet. Aber seine Partei ist voll von Leuten, die nur schreien können: „Endlich Politik für unsere Kernschichten machen! Endlich Geld verteilen!“

Erhard Busek hat, ebenfalls im STANDARD, die wahren Probleme angesprochen: Österreich, besonders Wien, beginnt seine Standortvorteile, vor allem in Bezug auf Osteuropa, zu verlieren. Die AUA ist ein Schnäppchen für die Lufthansa, IBM verlegt nach Osten, andere Konzerne überlegen das.

Kreisky, Androsch, Vranitzky und, jawohl, Schüssel, haben noch in solchen strategischen Dimensionen gedacht. Gusenbauer versteht immerhin, wovon die Rede ist. Seine SPÖ aber hält das heilige Recht auf Frühpensionierung, speziell im öffentlichen Dienst, für das eigentliche Hauptthema. Und der (von einem Sozialdemokraten geführten) OMV muss man nur die Gewinne wegnehmen, dann ist alles wieder gut.

Ein Faymann wird genau dieselbe Situation vorfinden. Allerdings wird er mehr Fotos in Krone/heute/Österreich haben. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.6.2008)