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Wien - Kaum ertönt der Anpfiff, kehrt in den Wasserbehältern der Wiener Wasserwerke gespenstische Ruhe ein. Warum? Weil es auch am stillen Örtchen still bleibt. Wahre Fans möchten eben nichts verpassen und halten dringende Geschäfte lieber mit zusammengekniffenen Beinen zurück. Wer will schon im Abseits stehen, wenn ein Tor fällt? Doch mit dem Pausenpfiff geht's auf zum kollektiven Wasserlassen.

Die zeitgleiche Entleerung der Fans erleichtert auch die Behälter der Wiener Wasserwerke. Innerhalb weniger Minuten sinkt der Pegel erheblich. "Statt der üblichen 400 Liter pro Sekunde rauschten in der Halbzeitpause im Spiel Österreich gegen Polen rund 630 Liter pro Sekunde aus dem Wasserbehälter Schmelz, der die Wiener Bezirke innerhalb des Gürtels versorgt", erklärt Hans Sailer, der Betriebsvorstand der Wiener Wasserwerke. Das entspricht einer Steigerung um 40 Prozent (siehe Grafik).

Während sich Fans und Spieler kurz erholen können, beginnt für die Mitarbeiter in der Steuerungszentrale der Wiener Wasserwerke die aufreibende Nachspielzeit. Sie sitzen vor Bildschirmen und kontrollieren den Wasserstand der 30 Wiener Wasserspeicher. "Es muss permanent Ausgleich zwischen dem Wasserzufluss aus den Hochquellleitungen und dem Verbrauch hergestellt werden", so Sailer. Fällt der Wasserdruck in den Speichern zu stark, können höhere Lagen Wiens nicht mehr versorgt werden, da das Wasser zu wenig "Drive" in den Rohren hat, um Steigungen zu bewältigen. Mit elektronisch gesteuerten Ventilen kann der notwendige Wasserdruck wieder hergestellt werden.

Nach Beginn der zweiten Halbzeit wird es dann wieder still in Wiens Kanälen. "Die EURO sorgt zwar immer wieder für kurze Schwankungen, das stellt aber keinerlei Gefahr für die Wasserversorgung dar", versichert der Wasserwerk-Chef. Sicherheitshalber wurden jedoch alle Reservereservoirs aktiviert und auf Standby geschaltet. So könnten im Notfall, auch bei Hitzeperioden, jederzeit der Lobauer Brunnen und das Wasserwerk Moosbrunn zusätzlich zur Versorgung herangezogen werden.(Astrid Kasparek/DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.6.2008)