Der 1965 im westafrikanischen Mali geborene Toumani Diabaté zählt zu den bekanntesten und besten Kora-Spielern weltweit. Neben zahlreichen Kollaborationen, darunter mit der Blues-Legende Ali Farka Touré, dem Gitarristen Taj Mahal, dem Free-Jazz-Posaunisten Roswell Rudd oder mit der Sängerin Björk, arbeitet er seit fast 20 Jahren an einem multinationalen Projekt, dem "Symmetric Orchestra". Mit "The Mandé Variations" hat Diabaté nun ein neues Solo-Album aufgenommen - sein zweites in 20 Jahren.
* * * * *
Die Töne der Kora sollen heilende Kräfte besitzen, heißt es in Mali. Nicht zu leugnen ist jedenfalls ihr beruhigender Effekt. Vom Klang her liegt sie irgendwo zwischen indischer Sitar, Gitarre und europäischer Harfe.
Heutzutage wird der Resonanzkörper der Kora aus einer halbierten Kürbisfrucht angefertigt und mit Rinderhaut bespannt. Die in zwei vertikalen Reihen fixierten 21 Angelleinen verleihen dem Instrument seine typischen Klänge. Und für "The Mandé Variations" hat Diabaté die Saiten um eine neue Facette angereichert: er hat Harfensaiten an die Nylonschnüre geknüpft.
Klangverwandtschaften
Mit ihrem weichen, unaufdringlichen und gleichzeitig eindringlichen Klang ist die Kora das musikalische Symbol Westafrikas. Ihre Bekanntheit verdankt die Stegharfe vor allem Sidiki Diabaté, Toumanis Vater, der die Kora nicht nur als begleitendes, sondern auch als Solo-Instrument verwendete. Doch erst durch Toumani Diabaté verbreitete sich das Wissen um dieses wundervolle Instrument auf dem ganzen Globus.
Die Musik der Kora geht zurück auf die "Griots", die seit dem 13. Jahrhundert als fahrende Musiker mit ihren Lobgesängen durch die Länder zogen. Das Instrument selbst ist jedoch vergleichsweise jung. Es hat ihren Ursprung im heutigen Guinea-Bissau und kam über Gambia und Senegal letztendlich nach Guinea und Mali. Mungo Park, ein schottischer Afrika-Reisender, lieferte Ende des 18. Jahrhunderts den ersten schriftlichen Nachweis der "korro".
Quelle: YouTube
Die Kora wird mit den beiden Daumen (Melodie und Bass) und den Zeigefingern (Improvisationen) gespielt. Mit nur vier Fingern schafft sich Diabaté dabei auf seinem aktuellen Album nun ein ganzes Orchester. Dabei sprengt er die Grenzen der herkömmlichen Kora-Musik. Denn im aktuellen Album verarbeitet der Künstler nicht nur traditionelles Liedgut, auch Musik aus und Erlebnisse in Europa oder Asien haben ihn hörbar inspiriert.
"Schockiert und überrascht"
Hört man das Eröffnungsstück Si naani, so präsentiert Diabaté den klaren Sound der Harfe in seiner ganzen Pracht. Die musikalischen Wellen greifen ineinander und setzen sich in einem kontinuierlichen Fluss fort, wachsen und entwickeln sich organisch weiter.
Einige weitere klassische Stücke sind Kaounding Cissoko und Djourou Kara Nany. Dagegen klingen Ali Farka Touré oder El Nabiyouna sicherlich auch für diejenigen innovativ und neu, die zuvor noch nie eine Kora gehört haben.
In El Nabiyouna macht sich Diabaté zu einer spontanen musikalischen Reise auf. Sie beginnt in Mauretanien - über Indien und Spanien kommen wir schließlich wieder nach Mali zurück. "Normalerweise spiele ich ein solches Stück zu meiner eigenen Unterhaltung. Diese abstrakte, freie Improvisation ist auf der Kora bisher noch nie aufgenommen worden. Die Leute in Mali werden zugleich schockiert und überrascht sein, wenn sie das hören", schreibt Diabaté in dem Booklet zur CD.
Ali Farka Touré ist eine weitere Improvisation. Es beginnt mit dunklen, gedämpften Noten und beschleunigt auf packende Soli. Das Stück ist eine Hommage an den berühmten malischen Gitarristen und Sänger Ali Farka Touré. Er starb 2006 - ein Jahr nachdem Diabaté mit ihm das Album "In the Heart of the Moon" aufgenommen hatte.
Das Schlussstück "Cantelowes" ist wiederum der britischen Musikwissenschafterin Lucy Duran gewidmet. Es ist eine neue Variante des beschwingten Stücks "Jarabi", das man schon von seinem Debüt-Album "Kaira" (1987) und von seinem Duett mit der spanischen Flamenco-Truppe Ketama kennt. Auf dem aktuellen Album hat er es mit "Ennio Morricone-Elementen" angereichert.
"The Mandé Variations" ist ein sehr persönliches Album. Das merkt man nicht nur an der Musik, sondern auch an Diabatés Anmerkungen im Booklet, die Hintergründe und Anekdoten zu den Stücken liefern.
"The Mandé Variations" ist aber auch das bislang anspruchvollste Album von Solo-Kora Musik. Denn Diabatés Musik ist voll von neuen Ansätzen und Techniken und bleibt gleichzeitig ihren Wurzeln treu. (cra)