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An der Grenze zum Gazastreifen werden Panzer auf Tieflader verladen

Foto: AP /Tsafrir Abayov
Doch auf beiden Seiten überwiegt weiterhin das Misstrauen.

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Über Monate hatten die Ägypter versucht, eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln, nun scheinen sie endlich Erfolg zu haben. Es war zunächst die ägyptische Nachrichtenagentur Mena, die gestern verkündete, dass die Gewalt im Gazastreifen und in seiner Umgebung am Donnerstag um sechs Uhr Ortszeit, also fünf Uhr österreichischer Zeit, eingestellt werden soll.

Mittwochvormittag stimmte Israel einer Waffenruhe mit der Hamas auch offiziell zu. Schon zuvor war vonseiten der Hamas und Israels signalisiert worden, dass eine Einigung bevorstehen könnte. Israels Unterhändler Amos Gilad war eilig nach Kairo aufgebrochen, offenbar mit dem Ziel, die letzten Details zu prüfen und abzusegnen.

„Wir in der Hamas sind der Stunde null der Waffenruhe verpflichtet, die von der ägyptischen Seite verkündet wurde“, sagte Hamas-Sprecher Fawzi Barhum, der damit offenbar meinte, dass seine Organisation am Donnerstag das Raketenfeuer auf Israel einstellen will. Bis dahin habe man aber „das Recht, jeden Angriff zu erwidern“. Gestern sah es dabei noch gar nicht nach Waffenruhe aus. Bei drei israelischen Luftschlägen im Gazastreifen wurden vermutlich sechs Palästinenser getötet, und auch gegen Abend schlugen noch Kassam-Raketen in Israel ein.

Von Israel hatte es bis zum Dienstagabend noch keine offizielle Bestätigung dafür gegeben, dass ein Zeitpunkt für den Beginn der „Beruhigung“, von der die beiden Seiten sprechen, fixiert sei. Verteidigungsminister Ehud Barak sagte in einer Rede, es sei „nicht klar“, wann die Waffenruhe beginnen würde. Zuvor schien Mark Regev, der Sprecher von Premier Ehud Olmert, noch Bedingungen zu stellen: „Worte sind wichtig, aber Taten sind noch wichtiger. Wenn wir wirklich ein Ende der feindlichen Terrorattacken von Gaza auf Israel sehen, wenn wir wirklich das Ende der militärischen Aufrüstung der Hamas in Gaza sehen, dann wird das wirklich eine ganz neue Situation sein.“

Raketen in das israelische Grenzgebiet

Auch nach der Ankündigung einer Waffenruhe mit Israel haben militante Palästinenser am Dienstagabend vier selbst gebaute Raketen in das israelische Grenzgebiet gefeuert. Israelische Medien berichteten, ein Kind in der Grenzstadt Sderot sei leicht verletzt worden. Drei weitere Menschen hätten einen Schock erlitten. Der Hamas-Führer Mahmoud Zahar hatte zuvor erklärt, eine Waffenruhe mit Israel solle am Donnerstagmorgen in Kraft treten. Bei israelischen Luftangriffen im Gazastreifen waren am Dienstag sechs militante Palästinenser getötet worden.

Unbekannte Vereinbarung

Über die Punkte der Vereinbarung, die ohne direkte Begegnung von Vertretern Israels und der Hamas zustande gekommen ist, wurde zunächst nichts verlautbart. Die Waffenruhe soll offenbar zunächst für eine Frist von sechs Monaten gelten, wobei nicht klar ist, ob alle Palästinenserfraktionen mit eingebunden sind. Die Hamas hat auf die Forderung verzichtet, dass gleich mit Eintritt der Waffenruhe die Grenzübergänge in den Gazastreifen geöffnet werden müssten. Israel wiederum hat darauf verzichtet, die Waffenruhe mit der sofortigen Freilassung des verschleppten israelischen Soldaten Gilad Schalit zu verknüpfen.

Über die Blockade und einen Gefangenenaustausch soll nun in einer zweiten Phase verhandelt werden, wenn die Waffenruhe hält. Israelische Militärs rechneten aber damit, dass die Hamas die Ruhepause dazu benützen würde, weitere Kampfmittel in den Gazastreifen zu schmuggeln. Viele halten eine große israelische Militäroperation, bei der es zu blutigen Bodenkämpfen kommen würde, weiterhin für unvermeidlich.

Aufatmen auf beiden Seiten

Sollte die Waffenruhe halten, könnte die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten aufatmen. Rund 120.000 Israelis leben im Grenzgebiet. Nahezu täglich werden sie mit Raketen und Mörsergranaten aus dem Gazastreifen beschossen. Ganze 15 Sekunden beträgt die Vorwarnzeit in der Stadt Sderot, um sich in Sicherheit zu bringen. Vier israelische Zivilisten sind in diesem Jahr bereits getötet worden.

Aufatmen könnten auch die 1,4 Millionen Palästinenser im Gazastreifen. Zum einen setzt Israel seine Militäroperationen aus. Und zum anderen werden die Grenzen wieder für Importe geöffnet. Im Gazastreifen haben sich seit dem Hamas-Putsch und den israelischen Sanktionen Not und Elend ständig vergrößert. (APA/dpa/Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2008)