Wien – Wer auf und ab deklinierte Klassiker einmal so sehen möchte, als kämen sie direkt aus dem Kaugummiautomaten, der wende sich an Barbara Weber. Die Schweizer Regisseurin, die mit ihrem unplugged-Label erfolgreich Mythenzersetzung betreibt, verabreichte jetzt auch Shakespeare eine Frischzellenkur. Wobei sie von König Lear so derart viel Fett absaugt, dass am Ende ihrer Festwochen-Inszenierung nichts als eine recht magere Kinderzimmerparty herauskommt, in der die drei Töchter Lears die Hauptakteurinnen sind.

An sich ein nachvollziehbarer Gedanke. Denn das große Übel Lears ist die Doppelbelastung als Staatsmann und – als Herr Papa. Machterhalt ist in seinem Haus zugleich Familienangelegenheit. Das Dilemma also: Die überbordende Liebe, die Papa Lear zu seiner jüngsten Tochter Cordelia (Rahel Hubacher) hegt und die er irrtümlich für nicht erwidert hält, macht dem alten Herren den Garaus – und seine politische Ratio zunichte. Er vergibt sein Reich an die raffgierigen Töchter Goneril (Anne Ratte-Polle) und Regan (Yvon Jansen). Das Stück heißt folgerichtig Die Lears.

Diese nachrückende Generation der reich Beerbten hat bei Barbara Weber im brut-Künstlerhaus das Zepter, äh, das Mikrofon in der Hand. Der alte König (Sebastian Rudolph) wird in einer gelben Harlekinhose ins Ausgedinge (ans Schlagzeug) geschickt, wo er sich blöd trommelt. Michael Haves musiziert am Laptop mit und moderiert bewusst flapsig durch den Plot: "Jetzt kommen nur mehr die allerwichtigsten Szenen." Weber erklärt die Tragödie zum reinen Familiendrama, in dem sich die Kuschelecke (Bühne: Janina Audick) als genauso tödlich erweist wie die ostenglische Heide. Die Reduktion aufs Kinderzimmerformat entleert das Drama aber. Es wird beliebig. (Margarete Affenzeller/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16. 6. 2008)