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Alfred Gusenbauer muss seinen Kritikern entgegentreten.

Foto: APA/Barbara Gindl

Die Demontage des Bundeskanzlers ist aufgeschoben. Gusenbauer bietet seinen Kritikern personelle Änderungen in seinem Umfeld an. Berater, Sprecher und Bundesgeschäftsführer stehen zur Disposition. Heute um 12.30 Uhr wollte sich Gusenbauer der Presse stellen. Die Sitzung dauert wesentlich länger als erwartet, um 14.30 Uhr war noch kein Ende in Sicht. Sobald die Entscheidungen im Parteipräsidium bekannt sind, können sie diese auf derStandard.at nachlesen.

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Die Hoffnung mancher "Parteifreunde", dass Alfred Gusenbauer selbst aufgeben und alles hinschmeißen könnte, wird sich nicht erfüllen. Alfred Gusenbauer will kämpfen. Er will Kanzler bleiben, und er will Parteichef bleiben.

Es geht um Tage. Den Sonntag hat Gusenbauer bereits überstanden. Auch den Montag wird er überstehen. Seine Gegner haben die Demontage abgeblasen. Nicht abgesagt, nur aufgeschoben. Ein Argument, das von einem Präsidiumsmitglied gegen den Kanzlersturz am Montag vorgebracht wurde: das Match Österreich gegen Deutschland. An so einem Tag stürzt man den Kanzler nicht.

Gusenbauer selbst arbeitet an einem Befreiungsschlag: Wenn schon Personaldiskussion, dann über andere. Da die Kritik an ihm auch mit Kritik an seiner Umgebung verbunden wird, setzt Gusenbauer dort an: Ablösekandidat wäre Bundesgeschäftsführer Josef Kalina, der sich bis dato nur Durchhalteparolen entlocken ließ: "In drei Jahren habe ich keine Kritik an meiner Tätigkeit gehört", sagt Kalina. "Ich lese ständig, dass wir alle gehen müssen. Aber diese Freude werden wir den anderen nicht machen."

Ebenfalls als Wackelkandidat gilt Stefan Pöttler, Gusenbauers Pressesprecher. Auch Kabinettschef Johannes Schnizer könnte abtreten. Ein Paukenschlag wäre die Ablöse von Josef Cap als Klubchef, dem vorgeworfen wird, nie wirklich den Kontaktmann zwischen Nationalratsabgeordneten und Kanzler gespielt zu haben. In den vergangenen Tagen soll sich Cap bei seinem alten Freund Gusenbauer nicht einmal mehr gemeldet haben - was sehr nach Illoyalität roch.

Andere Variante: Die ÖVP schickt Innenminister Günther Platter nach Tirol, was auch die SPÖ zu einer Regierungsumbildung nützen könnte. Verteidigungsminister Norbert Darabos soll in diesem Fall abtreten und Kalina als Parteimanager ersetzen.

Wer auch immer schon am Montag betroffen ist, für Gusenbauer heißt das: Man stürzt ihn später. Darauf haben sich etliche rote Länderchefs intern festgelegt. Mit Gusenbauer könne man keine Landtagswahlen gewinnen. Salzburg und die Steiermark seien wieder in Gefahr. In Oberösterreich sei das Vorhaben, den schwarzen Landeshauptmann zu stürzen, unter diesen Umständen chancenlos. Und in Wien wartet FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf den Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der im Jahr 2010 eine absolute Mehrheit zu verteidigen hat. Auch die Nationalratswahl im gleichen Jahr scheint bereits verloren.

Es geht um Wochen

Also muss er weg, der Gusenbauer. Jetzt geht es um Wochen. Der Wiener SPÖ-Chef Häupl, der am vehementesten für die Ablöse Gusenbauers eintritt, hat den neuen Zeitplan ausgegeben: "Es muss eine klare Entscheidung bis Ende August geben. Der Parteivorsitzende hat alle erdenklichen Chancen, selbst das Gesetz des Handelns in die Hand zu nehmen."

Häupl scheint davon auszugehen, dass sich Gusenbauer selbst zurückziehen werde, er brauche nur Zeit. Und Druck. Das Drohszenario: ein Sonderparteitag, bei dem die Delegierten Gusenbauer die Gefolgschaft verweigern.

Häupl hat sich weit hinausgelehnt, er kann sich der Unterstützung der anderen Landeschefs aber nicht sicher sein. Zwar stehen auch Gabi Burgstaller, Franz Voves und Erich Haider dem jetzigen SPÖ-Chef höchst skeptisch gegenüber, aber niemand will den Killer spielen. Der schwarze Peter ist unterwegs, da bleiben alle in Deckung. Soll doch der Häupl die Drecksarbeit erledigen.

Möglich ist auch eine scheibchenweise Demontage: Der Kanzler bekommt einen geschäftsführenden Parteivorsitzenden zur Seite gestellt. Ein Szenario, dem führende Funktionäre aber nur wenig abgewinnen können. Die Konflikte in der SPÖ würden nur noch zunehmen.

Faymann Gusenbauers Nachfolger?

Der Mann, der Gusenbauer folgen könnte, heißt Werner Faymann und wird vor allem von Michael Häupl favorisiert. In den Ländern gibt es hingegen Vorbehalte, weil auch er als zu weich im Umgang mit der ÖVP gilt. Außerdem wehrt sich Faymann selbst noch gegen eine Amtsübernahme. Nicht, dass er nicht gerne Parteichef und Kanzler werden würde, aber in der jetzigen Situation könne er nur verlieren. Faymann will keine Übergangslösung sein. Er würde in kürzester Zeit aufgerieben werden und müsste bei den nächsten Wahlen möglicherweise einer Gitti Ederer (derzeit Siemens-Chefin) oder einer Gabi Burgstaller Platz machen. Auch wenn Häupl jetzt behauptet: Nur Faymann kann es.

Alfred Gusenbauer selbst hat sich auf das SPÖ-Präsidium am Montag gut vorbereitet. Er will seine Kollegen aus den Ländern auf die immer wieder öffentlich eingeforderte Sachdiskussion festnageln.

Das brennendste Thema ist die Gesundheitsreform. Hier braucht es rasche Entscheidungen, sonst würde als Erste die Wiener Gebietskrankenkasse vor der Insolvenz stehen. Das kann auch Häupl nicht egal sein. Die Kassen in Niederösterreich und in der Steiermark wären die nächsten. Gusenbauers Argument: Pleiten würden für die Versicherten geschmalzene Selbstbehalte bedeuten.

Gusenbauers Kritiker dürften ihrerseits mit "Sachthemen" kontern wie Abschaffung der Studiengebühren und Vorziehen der Steuerreform - was mit der ÖVP de facto nicht umsetzbar ist. (Gerald John, Peter Mayr, Michael Völker/DER STANDARD, Printausgabe, 16.6.2008)