Offiziell hat sich nichts geändert. „Alle Initiativen, die während der französischen EU-Präsidentschaft geplant waren, werden durchgezogen“, meinte ein Sprecher des Elysées am Sonntag. Doch hinter den Kulissen herrscht in Paris böse Katerstimmung. Das irische Nein erwischt die französischen Planer des sechsmonatigen Ratsvorsitzes auf dem falschen Fuß. Auch wenn die einzelnen Programmpunkte beibehalten werden sollen: Glanz und Grandeur des „französischen Halbjahres“ unter Sarkozys Führung sind bereits im Eimer.

In Wirklichkeit hat sich für ihn alles geändert. Der vor einem Jahr gewählte Staatspräsident hatte für sich bisher in Anspruch genommen, er habe das „vereinfachte“ EU-Reformabkommen sozusagen im Alleingang durchgesetzt und Europa damit aus der institutionellen Krise geführt. Die EU-Präsidentschaft hätte diese Leistung krönen sollen. Sarkozy wollte sie besonders „bürgernah“ gestalten; zudem wollte er Mitte Juli in Paris die Mittelmeerunion mit dem ganzen Prunk und Pomp, zu dem Paris fähig ist, aus der Taufe heben. Mit anderen Worten: Frankreich sollte wieder als europäische Führungsmacht auftreten, nachdem die Franzosen 2005 mit ihrem eigenen Referendum die erste Version der EU-Verfassung zu Fall gebracht hatten. All diese hochfliegenden Absichten werden nun durch die Iren durchkreuzt.

Die Sozialistin Ségolène Royal wurde am Wochenende noch deutlicher: „Nicolas Sarkozy hat mit dem irischen Nein viel Glaubwürdigkeit in Europa verloren.“ Der französische Europaminister Jean-Pierre Jouyet, seines Zeichens Hauptorganisator des kommenden Ratsvorsitzes, musste am Samstag ebenfalls einräume: „Es gibt einen Graben zwischen dem europäischen Projekt und den Erwartungen und Anschauungen der EU-Bürger.“

Ein dünner Aufruf

Sarkozy wirkt nun wie vor den Kopf geschlagen. Statt einer wegweisenden „Initiative“, die er zusammen mit Angela Merkel vor der Irland-Abstimmung angekündigt hatte, gab es nur einen dünnen Aufruf, die Ratifizierung in den anderen Staaten „fortzusetzen“. Verzweifelt sucht das Elysée nach rettenden Ideen. Möglichkeiten gibt es. Paris sieht den Ausweg eher in einer neuen Abstimmung in Irland. „Wir müssen den Irländern Zeit zum Überlegen lassen, um zu wissen, ob sie nach einigen Absprachen erneut an die Urnen gehen wollen“, meinte Jouyet. Irland könne von der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausgenommen werden, was ihm erlauben sollte, seine Neutralität zu wahren. „Eine andere Lösung gibt es nicht“, fügte Jouyet an. (Stefan Brändle aus Paris/ DER STANDARD Printausgabe, 16.6.2008)